29. März 2012

SPANIEN


Suchende in einem Erzählpuzzle


Filmbesprechung von Sophie Stallegger

http://www.wienerzeitung.at/_em_daten/_cache/image/wzo/0xUmFuZG9tSVYwMTIzNDU2N1nidusCFNxp3beGCRVnUonCaYJLYASiiJdbCyyEmL7iVOeUhM3TaLudS7j5vBlqAw==.jpgÖsterreich. Ein Fremder auf der Suche nach Spanien. Ein Familienvater auf der Suche nach mehr Glück im Glückspiel. Eine hübsche junge Restaurateurin auf der Suche nach Männern - aber nicht fürs Bett - und deren Ex-Ehemann auf der Suche nach ihr.
Der Film erzählt drei Geschichten von unterschiedlichen Charakteren, die an dem Problem der Sehnsucht, der Eifersucht oder der Spielsucht leiden und bis zum Ende daran kämpfen.

SPANIEN spannt sich an diesen drei Strängen entlang, ohne deren Zusammenhang weiter zu erklären. Wie ein Puzzle verbinden sich nach und nach einige der Szenen und erzählen die Geschichte zwischen dem Anfangs- und Endbild: Dem Zusammenstoß zweier Autos auf einer österreichischen Landstraße. Aus diesem flieht zu Beginn des Filmes ein geschmuggelter Moldawier - im Glauben bereits in Spanien angekommen zu sein - durch die österreichischen Landstraßen, und beginnt in einer Kirche zu arbeiten. Unabhängig davon entwickeln sich parallel dazu andere Geschichten.

Von jedem der Protagonisten wird mit der gleichen Schwere und Tiefe erzählt und keinem wird das Schicksal am Ende abgenommen. Teilweise verweben sich die Geschichten und kreuzen sich Charaktere, doch wird es generell dem Zuschauer überlassen, alle Zusammenhänge zu erkennen.

Ein großes Lob an die merkbar weibliche Regie von Anja Salmonowitz, die mit poetischer Langsamkeit von zwischenmenschlichen Beziehungen erzählt und jeder Szene gleich viel Aufmerksamkeit, Sorgfalt und Einfühlungsvermögen schenkt.

Dennoch ist dies kein Film, aus dem man mit einer zufriedenen Leichtigkeit hinausgeht. Stattdessen wird man mit dem befangenen Gefühl der Protagonisten allein gelassen und trägt deren ungelöste Probleme noch nach dem Abspann mit sich mit.
Als wären die vorhandenen Puzzleteile am Ende des Filmes zwar alle an ihrem Platz, doch fehlten dazwischen noch einige Teile zur Lösung der Probleme.

Diese Erzählweise aber hat den Effekt, dass der Film nicht so schnell vergessen wird. Einzelne Geschichten kommen noch Tage später zurück ins Bewusstsein und liefern Anstoß zum Nachdenken.
Salomonowitz und Dinev zeigen so die Präsenz gewisser Probleme in unserer Gesellschaft. Darunter das Verschleppen von Ausländern, Verschuldung und das Überschreiten von Grenzen in familiärer Gewalt, sowie gescheiterte Beziehungen und die Suche nach dem Scheitern anderer.
Diese schweren Thematiken bleiben gemeinsam mit langen stillen Szenen in Kirchen oder der Beharrlichkeit und Geduld vom Restaurieren religiöser Statuen, sowie der sich im Film durchziehenden goldenen Farbe in Erinnerung.
Das Thema Religion steht somit als Gegenpol zu den ausweglosen Situationen und lässt sich als Antwort auf die ungelösten Probleme lesen.

SPANIEN bietet dem Zuschauer also ein berührendes Erlebnis mit geheimnisvollen Geschichten und prachtvollen Bildern, jedoch leider nicht genug Zeit, um jede einzelne der Geschichten ausführlich zu behandeln oder einen deutlichen Handlungsstrang zu zeigen.
Dadurch wirkt der Film wie ein Patchwork aus vielerlei Erzählstoffen, aus denen man vielleicht besser drei einzelne Spielfilme hätte fabrizieren können, als verschiedene in 102 Minuten verwebte Themen. Immerhin schaffte der Film es auf die Berlinale und Diagonale.



Regie: Anja Salomonowitz, Drehbuch: Dimitré Dinev & Anja Salomonowitz, 
Darsteller: Tatjana Alexander, Grégoire Colin, Lukas Miko, Cornelius Obonya, 
Laufzeit: 102 Minuten, 
Kinostart: 23.3.2012