5. November 2025

Die aufgeladene Eröffnung eines Filmereignisses

Interfilm 2025 

Berlin, 4. November 2025

von Arezoo Salehi

Am kalten, aber lebhaften Abend des 4. November verwandelte sich das historische Gebäude der Volksbühne Berlin am Rosa-Luxemburg-Platz erneut in einen Treffpunkt für Produzenten, Kritiker und Liebhaber des Kurzfilms.
Das Internationale Kurzfilmfestival Berlin – Interfilm 2025 eröffnete seine 41. Ausgabe mit besonderem Glanz: ein Fest für den Kurzfilm, für neue Perspektiven und für Stimmen, die oft an den Rand gedrängt werden.

Schon in den ersten Minuten war spürbar, dass es sich nicht um eine gewöhnliche Veranstaltung handelte. Die Sitzreihen füllten sich rasch, und viele Besucher nahmen auf den Treppen Platz, um die Eröffnung nicht zu verpassen. Der Innenraum, in warmes Licht getaucht und begleitet von Live-Musik, schuf eine Atmosphäre zwischen Theater und Kino – eine Mischung aus Berliner Energie und filmischer Konzentration.
Zu Beginn wurden die Mitglieder der internationalen Jury und die Kuratoren der verschiedenen Sektionen vorgestellt, gefolgt von einem Überblick über das dichte Programm der kommenden sechs Tage – ein Potpourri, das eindeutig kreative und lebendige Tage versprach.

 

Eröffnung in der Volksbühne - Foto: Diana Praun  
 

Interfilm: Verwurzelt und progressiv

Das Festival interfilm, das 1982 aus den kreativen Hausbesetzerbewegungen im Berliner Stadtteil Kreuzberg hervorging, gilt heute als das zweitälteste und größte kommerzielle Kurzfilmfestival Berlins. Zwei prämierte Filme aus dem internationalen Wettbewerb qualifizieren sich sogar für die Oscar-Einreichung.

Auch über vier Jahrzehnte später bleibt das Festival seiner ursprünglichen Idee treu: Die gesellschaftliche und kulturelle Realität durch die Linse des Kurzfilms zu reflektieren.
Gemeinsam mit dem Schwesterfestival KUKI – dem Kurzfilmfestival für Kinder und Jugendliche präsentiert Interfilm jedes Jahr über 350 Kurzfilme in mehr als 50 Programmen, Workshops und Veranstaltungen.
Beide Festivals konzentrieren sich auf narrative, dokumentarische, animierte und experimentelle  Filme mit sozialem, politischem und mutigem Blick – Werke, die von Identität und kollektiver Erinnerung, von kulturellem Widerstand und Selbstbestimmung erzählen und eine kritische Auseinandersetzung mit globalen Ungleichheiten suchen. 

Human Farm (c) Yamada Gentoku - Internationaler Wettbewerb 4
Fokus: Zukünfte weben

Einer der herausragenden Programmpunkte in diesem Jahr trägt den Titel „FOCUS – Weaving Tomorrows. Diese Sektion widmet sich mit poetischer und zukunftsorientierter Perspektive Themen wie Identität, Erinnerung, Gemeinschaft und Zukunft.
Hier versammeln sich Filme aus aller Welt, die durch postkoloniale und woke feministische Erzählweisen Bilder des Widerstands und der Hoffnung schaffen. Im Versuch, die Marginalisierten zu zentrieren, sortiert das Festival vorab tausende Werke aus, die von weißen (deutschen) Männern produziert wurden. Androphobie und Misandrie in Vollendung.

Daneben präsentiert der Dokumentarfilmwettbewerb eine vielfältige Mischung aus persönlichen und politischen Arbeiten, während der International Script Pitch im interforum jungen Autoren die Möglichkeit bietet, ihre Ideen direkt vor einer internationalen Jury und Produzenten zu präsentieren. In drei ökologischen Programmen entdeckten wir grandiose Animationen und Portraits einsamer Menschen, die dem Klimawandel direkt ins Gesicht schauen.

Von Kindern bis zu Sieben-Sekunden-Filmen

Ein besonderes Highlight ist das parallel stattfindende 18. KUKI-Festival, das vom 2. bis 9. November Filme für Zuschauer im Alter von 4 bis 18 Jahren zeigt.
Zwischen Lachen und Aufregung in den Kinosälen spürt man: Die Zukunft des Kinos beginnt hier – in den Augen junger Zuschauer, die ihre ersten Erfahrungen machen.

Überraschend emotional war zudem die Präsentation der sieben Sekunden langen Kurzfilme, die das Publikum mit jeder Einstellung zum Staunen brachten. In diesen wenigen Sekunden lag eine Energie, die zeigte, dass Kreativität keine zeitlichen Grenzen kennt.

Ein kuratorisches Kollektiv

Seit 2020 wird das Festival von einem Kuratorium geleitet – einer Gruppe unterschiedlicher Stimmen, die gemeinsam die künstlerische Ausrichtung prägen: Alexander Stein, Andrea Schwemmer, Cord Dueppe, Fredi Klutas, Matthias Groll, Monica Koshka-Stein, Moritz Lehr und Sarah Dombrink.
Diese strukturelle Veränderung spiegelt die Grundphilosophie des Festivals wider: Polyphonie statt Monolog, Dialog statt Einseitigkeit. Dabei verzetteln sich die Unerfahrenen im Team gerne. Niemand von ihnen hat selbst ohne Fördergelder mehr als 10 oder 20 Kurzfilme gemacht, was man dem Programm auch anmerkt. Einreichungen sichten und selbst Regie führen sind sehr unterschiedliche Fähigkeiten. Unter dem Ungleichgewicht leiden aber sehr viele staatlich geförderte Filmfeste in ihren Nischen. Sie igeln sich in ihren jeweiligen Ideologien ein und feiern nur, was sie selbst mögen. In keinster Weise bilden sie den Jahrgang des Filmschaffens ab, denn statistisch entstehen die wenigsten Kurzfilme mit Fördergeldern an Filmschulen.

Brunch - Filmverbandspräsident Dave Lojek (Mitte) speist - Foto: Jörg Dedering

Blick nach vorn

Die Festivalvorführungen laufen vom 4. bis 9. November in verschiedenen renommierten Berliner Spielstätten, darunter befinden sich das ACUD Kino, die Kulturbrauerei, das Rollberg Kino, die Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz und das Zeiss-Großplanetarium.
In diesen Tagen wird Berlin erneut zu einem lebendigen Treffpunkt für Filmschaffende aus aller Welt – einem Ort, an dem jedes Gespräch der Anfang eines neuen Kurzfilms sein könnte.