15. Oktober 2013

PARADISE BEACH

Liebe Filmfreunde

Bitte stimmt hier online ab für meinen kurzen Strandfilm!  

PARADIESSTRAND

 

Ich wäre euch sehr verbunden, wenn ihr das online weitergebt!

Euer Dave 

1. Juli 2013

SONDERLINGE - ODD CHARACTERS - Filmabend mit Regisseur


Kurz gesehen - Sonntag 28.07.2013 | 22:00 uhr - LICHTBLICK KINO
Kastanienallee 77 | Prenzlauer Berg | www.lichtblick-kino.org | Verkehrsanbindung: Tram M1 | U2 Eberswalderstraße | U8 Rosenthaler Platz | Eintritt: 5,50 Euro


Dave Lojek
Zum zweiten Mal präsentiert das Lichtblick Kino eine aktuelle Kurzfilmauswahl des Berliner Regisseurs Dave Lojek. Erleben Sie Engel und Zauberer, Angler und Träumer, Eingefrorene und Maskenträger. Polieren Sie ihr Englisch auf bei Dialogen und genießen sie viel Musik! Lojek behandelt ernste und heitere Themen. Seine Protagonisten wünschen sich Veränderung, offenbaren aber ihre Oberflächlichkeit. Manche Figuren stecken in bequemen Illusionen fest, andere entscheiden sich für den anstrengenden Weg. Der Zufall regiert und das Imperfekte leuchtet durch. Neben narrativen Kurzfilmen laufen Collagen und Dokumentarisches.
Lojeks Arbeiten entstehen innerhalb weniger Tage mit einfachsten Mitteln. Sie reisen dann gern um die Welt zu Filmfestivals und gewinnen gelegentlich Preise. Dave leitet als Festivaldirektor das jährliche Internationale KinoKabaret Berlin. Er lädt zudem unabhängige Filmemacher monatlich zu offenen Filmabenden ins Kino Moviemento ein. Als Vorsitzender des Video- und Filmverbandes Berlin / Brandenburg e.V. engagiert sich Dave ehrenamtlich für die Belange lokaler Autorenfilmer und deren Festivals.


PROGRAMM (77 Minuten plus Moderation)

01 SICK CITY Deutschland 2012 // Stummfilm mit Musik // 2:22 min
Eine kränkliche Touristin besichtigt Berlin auf die Schnelle mit himmlischer Unterstützung.
A sick tourist visits Berlin sights quickly with an angelic teleport guide.

02 KABARET FREEZE Deutschland 2013 // Englisch // 2:51 min // Regie: Maxime Billon
Wir umkreisen eingefrorene Menschen und bestaunen eine Collage aus Gewalt, Freude, Tanz und Abstrusem.
We circle frozen people and marvel at a collage of violence, joy, dance, and oddities.

03 FOCUS POCUS Belgien 2013 // Englisch // 5:46 min
Welchen Teil deiner Selbst würdest du opfern, um Aufmerksamkeit und Liebe zu bekommen? Drei Bürger entdecken einen magischen Händler, der Objekte gegen Talente eintauscht. Was wählen die drei? Diese romantische Farce zeigt Fehlbarkeit auf poetische Weise.
What part of yourself are you willing to sacrifice in order to gain attention and love? Three citizens encounter a magical vendor who exchanges objects for talents or looks. What will they choose? This romantic farce depicts fallibility in a poetic mode.

04 FLYING SHIPS, BERLIN STORYTELLING Deutschland 2012 // Englisch // Doku // 3:29 min
Die rumänische Installationskünstlerin Natalia Irina Roman beschreibt ihre Arbeit mit hunderten hängenden Papierschiffchen im Prachtsaal Neukölln.
Romanian installation-artist Natalia Irina Roman describes her work with hundreds of hanging paper boats at Prachtsaal Neukölln.

05 SEVERIN & ALEGRA Österreich 2013 // Englisch // 8:43 min
Gegensätze ziehen sich an. Als die quirlige Alegra den zurückhaltenden Severin beim Entenfüttern trifft, wird aus dem Neugierfunken eine Beziehung. Nach einem Jahr enthüllt Alegra ein Geheimnis, das ihr beider Leben drastisch verändern könnte. Wie reagiert Severin?
Opposites attract. When lively Alegra meets chary Severin while feeding ducks, the spark of curiosity turns into a relationship. After one year Alegra reveals a secret that might change their lives drastically. How does Severin react?


06 MADEMOISELLE NIMSI Tschechien 2012 // Stummfilm mit Musik // 3:17 min
Wenn dein Geist ein Kasten ist, würdest du ihn öffnen wollen? Beobachtet diese reinliche Vergessliche beim Trainieren! Was ist bloß mit der Tür los? Fräulein Nimsi versprüht Seelenruhe und Fantasie in ihrer beengten Situation.
If your mind were a box, would you want to open it? Watch this cleanly amnesiac exercising in her apartment! But what is wrong with the door? Mademoiselle Nimsi shows us the peace of mind in a situation that might stress others.
 
07 PARADIESWEHR Deutschland 2011 - 12 // Deutsch, OmeU // 8:51 min
Was tun, wenn Immobilienhaie durchs Paradies schwimmen? Ina akzeptiert eine unmoralische Mission. Es wird kompliziert.
How to react, when real estate sharks swim through paradise? Ina accepts an immoral mission. A complicated time begins.

08 PARADISE BEACH Deutschland 2013 // Englisch // 4:33 min
„Ich vermute, wir waren gerade zusammen unterwegs und du sagtest: ‚Geh zu deinem Glücksort.’ Das ist er.“ - Zwei Freunden passiert eine merkwürdige Umpflanzung. Während Jon das genießt, nervt Bradley mit Fragen.
“I’m guessing we are out somewhere right now, and you’ve said to me, ‘Go to your happy place.’ This is my happy place.” - Two friends experience a quaint relocation. While Jon enjoys it, Bradley nags with questions.

09 FINAL TOUCH Deutschland 2012 // Englisch // 11:20 min
Jenny lebt ihr Leben, als wäre sie unsterblich. Stress, Langeweile und Ängste bestimmen ihre Tage und beschränken das mögliche Glück. Wie verhielte sie sich, wäre ihr ihre Endlichkeit bewusster? Dieser satirische Kurzfilm wurde durch Carlos Castanedas Werke inspiriert.
Jenny lives her life as if she were immortal. Stress, boredom, and fears dominate her days and diminish her happiness. How would she behave, if she remembered that her existence was limited? This satiric short film was inspired by the works of Carlos Castaneda.


10 REV ERRANCE Belgien 2013 // Französisch, OmeU // 3:51 min // Regie: Alphonse Yambré
Ein Afrikaner schreibt einen Gedichtbrief über seine Einsamkeit in der europäischen Diaspora. Er floh vor dem Krieg, vermisst seine Heimat, träumt von der Rückkehr. Der Mann bedauert seine afrikanischen Brüder, die heimlich vom papierfreien Reisen fantasieren.
A man from Burkina Faso writes a poem-letter about his loneliness in the European diaspora. He fled from war but misses his African home, and dreams about his return. The man feels sorry for the African companions who have clandestine fantasies about visa-free travels.

11 THE NEED – DAS BEDÜRFNIS Deutschland 2013 // Deutsch & Englisch // 3:47 min
Romantische Miniatur über ein sehr menschliches Hindernis.
Romantic miniature about a very human obstacle.
 
12 SAG’S DURCH DIE BLUME Deutschland 2012 // Deutsch // 1:00 min // Regie: Dieter Primig
Die Liebe im Kopf trifft auf das Leben hier draußen.
The love in your mind meets life outside.

13 AUSWAHL Österreich 2012 // Deutsch // 8:20 min
Stell Dir vor, Du könntest das Gesicht wählen, das Du jeden neuen Tag aufsetzt. Würdest Du deine Mitmenschen damit anstecken?
Imagine you could select the face you wear each new day. Would you infect your fellow citizens with it?


14 FÜHL DIE BRD Deutschland 2013 // Deutsch // 3:00 min
Den Deutschen sind ihre Regeln wichtig. Sie haben es gerne ruhig und brauchen körperliche Distanz im öffentlichen Raum. Pünktlichkeit und Ordnung stehen hoch im Kurs. Was passiert, wenn jemand die Ruhe in einem Warteraum stört?
Germans love rules and regulations. They require quiet and physical distance in public places. Punctuality and order mean a lot to them. What happens if someone disturbs this peace?

15 TWO TOO ODD Österreich 2012 // Stummfilm mit Musik // 4:34 min
Ein Koffer erkundet Wien und findet riesige Seifenblasen. Mit dem Seifenblasenmädchen freundet er sich an. Sie treten gemeinsam auf.
A suitcase explores Vienna and finds giant soap bubbles. He befriends the Soap-Bubble-Girl. They create a show together.



Medienpartner: KINOFANS.COM

7. April 2013

Über den Tellerrand

Grenzland-Filmtage Selb 2013

von Dave Lojek

Ein gemütliches Grenzstädtchen im fränkischen Fichtelgebirge. Spätwinterliche Nebelschwaden durchziehen schneebedeckte Hügel im April. Der schwere Kran lässt ein Stück Berliner Mauer auf den Platz vorm Kinocenter Selb einschweben. Darauf leuchtet das Bild des flüchtenden DDR-Soldaten, der beim Mauerbau über den Stacheldraht sprang. Welche Bewandtnis es mit dem Betonstück beim Festival hat, erfahren Sie weiter unten in der Besprechung der Dokumentation BIS AN DIE GRENZE.

Man lud mich nach Selb mit meinem Kinderfilm TWO TOO ODD | ZWEI SKURRILE ein, worin ein Koffertier die Wiener Vorstadt erkundet und sich mit einem Seifenblasenmädchen anfreundet. Als klassische Stummfilmkomödie drehten wir diesen Ulk beim Kino Dynamique mit der Akrobatin Martha und der Schauspielerin Angela.
Also nutzte ich in Selb die Chance zur Horizonterweiterung. Das Festival beköstigt und beherrbergt die anreisenden jungen Filmemacher freundlich, die sich sogleich beim Umtrunk verbrüdern und verschwestern, sofern ihre Egos das inmitten der Konkurrenzsituation erlauben. Nebel und Schnee bestellten die Kulturarbeiter, damit die Kinos auch als Aufwärmstuben locken.


Die 16000-Seelen-Gemeinde Selb liegt hinter Hof an der tschechischen Grenze zur ehemaligen Textilfabrikstadt . So erklärt sich der Festivalname. Im Programm laufen hauptsächlich grenztematische Studentenfilme und unkommerzielle Produktionen freier Medienkollektive. Einige freie Kurzfilme stehen immerhin im Internet, viele verstecken sich in den Schubladen der Festivals und scheuen die breite Öffentlichkeit. Sie werden also als Übungen produziert und der medialen Amnesie geopfert.

Team von RITTER ROLAND mit Preisteller
Bereits vor der offiziellen Eröffnung bestaunen morgens Kindergruppen in zwei vollen Kinosälen eine Auswahl aus kurzen Animationen und Inszeniertem. Sie küren ihren Gewinner, den RITTER ROLAND von Oliver Pauli aus der Region. Darin erwacht ein geharnischter Ritter in einem modernen Krankenhaus und muss sich beim Ausbruch am Oberarzt vorbeikämpfen, um nach seiner Prinzessin und dem Drachen zu suchen. Er besteigt ein Klettergerüst auf dem Spielplatz der Kleinstadt und erheitert mit seinem Gerassel das Zielpublikum. Doch als er einen Buchladen betritt, führt ihn der Besitzer zur Autogrammstunde. Da ging einem Autor wohl die Fantasie durch. Den Kindern gefiel die Komödie wegen ihrer absurden Situationen und des brachialen Schwerts. Sicher war auch die Anwesenheit des Filmteams hilfreich bei der Entscheidungsfindung, denn in der Fragerunde durchlöchern die Kleinen das Team mit Detailfragen. Tags darauf berichtet der Lokalteil der Zeitung mit großem Gruppenfoto über das Kinderprogramm.
Wertung: * * *

Die Grenzland-Filmtage Selb zeigen vor den meisten langen auch kurze Werke. Sie bewahren also die im kommerziellen Kino nahezu ausgestorbene Tradition.
Mit einer Gruppe freundlicher Russen erkunde ich das nahe Bayreuth und lerne so Roman Volkov, den Drehbuchautor des Spielfilms Звено | KETTENGLIED kennen, der vielleicht meinen nächsten Film schreibt.
In Звено ergründet der vorm Militärdienst geflüchtete Chemiestudent Pawel in einem Waisenhaus als Erzieher das mysteriöse Verschwinden seiner Vorgänger. Er gerät in eine Geistergeschichte, die von Pionieren aus dem zweiten Weltkrieg angestoßen wurde. Als Enkel eines Naziverbrechers findet sich Pawel in einem Racheplot wieder, dem bereits ettliche junge Menschen zum Opfer fielen. Eine Geisterschönheit aus seiner Kindheit versucht, ihn zu retten.
Dieser Film hat ein klar erkennbares Genre und den typischen Spannungsbogen. Mit guten Schauspielern und feiner Kameraarbeit kann er trotz einiger Längen beim Publikum punkten, das gelegentlich zusammenzuckt. Wenige Kinder treten als Charaktere aus der Waisenhausgruppe heraus bis auf Max, den altklugen Kumpan. Pawel erzählt den Mädchen die Geschichte eines Freundes, der als werdender Vater bei der Rettung zweier Mädchen aus dem Fluss ertrinkt.
Das Waisenhaus birgt viele Räume zum durchstöbern, aber sein Personal wirkt einsilbig und abweisend. Pawel flirtet mit einer Jugendliebe, die sich aber als Geist herausstellt. Nach den Autopsieberichten des Arztes fühlt Pawel sich so bedroht, dass in ihm Neugier und Furcht miteinander ringen. So erzeugt Звено seinen Sog aus Geheimnissen und Fallen. Nur der komplett im Studio aufgenommene Ton irritiert. Ich bemerke, wie meine Seh- und Hörgewohnheiten meine Aufmerksamkeit bedingen. Nach einem frischluftreichen Wandertag sinke ich erschöpft in den Kinosessel. Dennoch bleibe ich wach und diskutiere angeregt mit den russischen Produzenten, denen das Weißbier schmeckt und die regionale Küche.
Wertung: * * * *

Festivals geben unentwegt Chancen, die Filmsprachen anderer Länder anzuhören. Wer sich dafür öffnet, entdeckt so auch Perlen. Entgegen meines sonstigen Filmgeschmacks zieht mich das herausragende, mit Laien gedrehte Sozialdrama MADE IN ASH von Iveta Grófová wegen seiner  bedrückenden Realitätsnähe in seinen Bann. Hut ab vor den fünf Jahren Recherche und Filmarbeit!
Darin erlebt man, wie sich die Träume der sehr jungen slowakischen Näherin Dorota nach der Kündigung in der tschechischen Grenzstadt Asch auflösen. Mit einer Freundin meandert Dotota durch Phasen der Verzeiflung und Hoffnung, kann jedoch keine Hilfe von ihren Eltern erwarten. Sie zahlt im Wohnheim inzwischen schon keine Miete mehr und hört sich Ressentiments der Tschechen gegenüber den slowakischen und ukrainischen Gastarbeiterinnen an.
Made in Ash | Až do mesta Aš

Ein unansehnlicher nuschelnder Deutscher, der fast dreimal so alt ist wie Dorota, bietet ihr in schäbigen Spellunken einen Ausweg durch Ehe an. Sie lässt sich von diesem reichen Greis schließlich verführen, was durch Glasscheiben zu sehen ist. Auch nimmt er sie in die Geisterbahn mit. Sie gewöhnt sich an ihn und fährt mit nach Deutschland.
MADE IN ASH zeichnet ein düsteres Bild der Provinz, die nach Werksschließungen für die Frauen oft nur den Straßenstrich zum Gelderwerb übrig lässt. Selten wurde das so realistisch abgebildet wie in diesem Dokudrama, das ein muliges Unbehagen weckt. Armut erstickt Hoffnungen und versteinert zarte Seelen, wenn der geistige und materielle Horizont so niedrig liegen. Man merkt, wie die Episoden in Fabriken und Clubs auch persönliche Erinnerungen der Regisseurin bebildern. Was als reine Dokumentation begann, wächst durch nur drei Laienschauspieler, kurze animierte Mädchenzeichnungen und die lebensechte Dramaturgie zu einem Filmkunstwerk heran, das sich viel Lob verdient. So schmerzt das Kino und wühlt auf. Man darf auf die nächsten Projekte von Iveta gespannt sein.
Wertung: * * * * *


Zurück zu dem Mauerstück, das die Selber nun vor ihrem Kino stehen haben. Claus Oppermann und Gerald Grote präsentieren mit BIS AN DIE GRENZE eine große Sammlung von Amateurfilmaufnahmen vom Kriegsende und Mauerbau über die Trennungsjahre Berlins bis zum Fernsehturmbau und Mauerfall. Dabei sichteten und digitalisierten sie in einem Kopierwerk Kistenweise 8mm und 16mm Material, das ihnen mittels Zeitungsaufruf zugetragen wurde. Auch das BDFA-Mitglied Hans Jürgen Fedders spricht in Zeitzeugeninterviews über seine persönlichen Erinnerungen am antifaschistischen Schutzwall. Kaum jemanden, der die deutsche Teilung bewusst miterlebte und erlitt, wird diese exzellente Dokumentation kaltlassen, auch wenn sie aus Westdeutscher Sicht gemacht wurde. Sorgfältig und mit Charme stellen die Filmemacher Bilder und Tondokumente zusammen, so dass anhand eines einzigen Bauwerks die Hauptstadtgeschichte nach dem Weltkrieg erfahrbar wird. Nicht zufällig werden sie in den Geschichtsunterricht an Schulen eingeladen, denn ihr Berlinfilm zeigt, wie die Menschen mit der Trennung umgingen und was sie für filmenswert hielten. Von Fassungslosigkeit und Abschiedsdramen wandeln sich die Aufnahmen zu Gleichgültigkeit und geheimen Ost-Reisen bis zum Jubel 1989. Diese DVD sollte in vielen Wohnzimmern für die Enkel bereitstehen, denen das Mauertrauma und das DDR-Kapitel ansonsten verlorengehen. Die Filmemacher reisen auch gerne zu Präsentationen an. Insbesondere für Autorenabende in Filmclubs des BDFA eignet sich diese Arbeit. Prädikat: Besonders wertvoll! Wertung: * * * *

Auch in Bayern leben also FilmliebhaberInnen, die schon zum 36. Mal eine internationale Kinoveranstaltung mit einem Verein organisieren. Die für ihre Porzellankunst berühmte Gemeinde feiert ihr jährliches thematisches Filmfest, auf dessen Eröffnung sich die Lokalpolitiker vorstellen und den Sponsoren gedankt wird, bevor zwei bayrische Komödien von Filmstudenten laufen.


In WELCOME TO BAVARIA von Matthias Koßmehl löst ein Grenzpolizist eine schwierige Gewissensfrage mit einem Afrikaflüchtling musikalisch. Grundegedanke des Kurzfilms ist, dass ein fiktives Bayern sich vor Flüchtlingsströmen schützen will, indem es seine Grenzen für sie schließt. Während also Wanderer und Pendler über einen Berggrenzposten gelassen werden, tritt der Polizist dem Afrikaner mit fester Stimme entgegen und zitiert Regularien. Der sympathische Schauspieler Njami Sitson lockerte bereits vor der Projektion das Publikum mit einer spontanen Trommelei und Gesang auf.
Wertung: * * * *

In Aron Lehmanns KOHLHAAS ODER DIE VERHÄLTNISMÄSSIGKEIT DER MITTEL erleben wir einen verzweifelten Regisseur, der nach dem Wegbruch seiner Produzenten ohne Geld sein Historienepos abdrehen will mit imaginierten Pferden (ergo Kühen) und Schlachten (Unterholz-Försterei). Nachdem Teile seines Filmteams sogleich abreisen, verwickelt sich der ebenfalls Lehmann heißende und von Robert Gwisdek gespielte Fanatiker in Komplikationen mit einem Dorfbürgermeister und der Lokalbevölkerung, um im völligen Wahnsinn zu enden.
Zunächst überredet er noch seinen Hauptdarsteller, sich auf das Abenteuer einzulassen und auf dem Ochsen zu reiten. Sogar die Dörfler lassen sich vom Choreographen trainieren. Doch ab einem bestimmten Punkt kippt die Fantasie, als sich der Verstand des Erduldenden mit einem Pling verabschiedet.
Was will uns diese Nabelschau erzählen? Obwohl man einen pseudo-dokumentarischen Streifen über versagende Filmemacher und irrwitzige Drehbedingungen mit einigen Einschüben aus dem Mittelalterstück sieht, beabsichtigt der Filmstudent laut eigener Aussage eher eine Geschichte über den Glauben an Träume. Pathoswarnung. Die wenigen Lacher aus dem Publikum strafen Lehmann ab. So friemelt er eine Dramödie zusammen, deren Zielpublikum nur aus den wenigen verkopften Filmstudenten und Amateuren des Landes besteht. Grundsätzlich ist es nobel, sich gegen Widrigkeiten mit Improvisation zu stemmen, aber Filme übers Filmemachen genügen sich zu oft in ihrer Selbstbeweihräucherung. Es gibt Ausnahmen wie SHADOW OF THE VAMPIRE.

Obwohl sich die Figuren im Film über die unprofessionellen Bedingungen beklagen, bleiben einige bis zu ihrem Ableben dabei, wie die Hauptschönheit Rosalie Thomass, die einen prima Filmtod hinlegt und deren Asche sogleich in den Fluss gestreut wird. Makaber aber konsequent. Wer also gerne meckernde Schauspieler (die Schauspieler spielen) und überenthusiastische Dorfbewohner im Kino sieht, darf ab Herbst 2013 in diese HFF-Potsdam und BR-Koproduktion eintauchen.
Ich war gespannt auf das Sound-Design, über das ich in einer Filmzeitschrift gelesen hatte. Angeblich 200 Tonspuren, die die Schlacht im Wald aufpusten sollten. Aber leider sprang der Funke der Begeisterung in dieser Geschichte nicht durchgehend zu mir über. Das liegt an der Einfallsarmut bei der Besetzung und am Drehbuch. Seit Jahren schon tauchen die gleichen Gesichter in ambitionierten HFF-Studentenfilmen auf, die dann nachts in dritten Programmen versendet und auf den einschlägigen Branchen-Festivals abgespielt werden. Sie mögen alle gut sein, was einige Festivalpreise belegen, aber die konsequente Ignoranz der Studentenfilmproduzenten gegenüber den unzähligen verfügbaren frischen Drehbuch- und Schauspieltalenten zeigt, dass man bewusst sehr wenige Menschen als Nachwuchs für den Kommerzrummel heranzüchten will. Über die eigentlichen Produktionsbedingungen von KOHLHAAS erfährt man nur, dass den Akteuren viel Freiraum gelassen wurde im Bild, damit es schön pseudokumentarisch wirkt. So stehen ab und zu stumme Kameraleute und Tonmänner im Bild, wenn man von der Spielhandlung zurück in die Dokumentarebene geht. Also wurde öfter mit zwei Kameras gearbeitet.
Warum bin ich so gemein zu dem Film? Ich drehe selbst unter weitaus geringeren Bedingungen meine Kurzfilme ebenfalls komplett ohne Budget seit vielen Jahren und Liste ihre Festivaldaten auf. Genau wie das Team von KOHLHAAS kämpfe ich gegen die Widrigkeiten, die die Filmkunst in diesem Lande nun mal charakterisieren: Überangebot, niedrige Zuschauerbindung, hektische Produktionsbedingungen, mimimalistische Budgets, Konkurrenzkampf, das Abschleifen des Regie-Egos mitsamt Illusionen an der Wirklichkeit und Bürokratie oder Industrie.
Hält mir diese Provinzkomödie einen Spiegel vor, in den ich lieber nicht blicken möchte? Trifft der "emotionale Kern" also genau den wunden Punkt? Oder nervt mich nach Vorführungen einfach nur der Auftritt junger und leicht arroganter Filmemacher, die durch sorgfältige Vorbereitung Filmförderung abfassen und später von der Filmerei leben möchten? Vielleicht ist es ein wenig von Allem. Daher macht man sich besser selbst ein Bild.

Wertung: * * *

Gewinner-Filme des Festivals:
"Welcome to Bavaria", Kurzfilmpreis / "Bodypieces" Nachwuchspreis / "Nordstrand", Spielfilmpreis / "Im Land dazwischen", Dokupreis 
 

26. Februar 2013

Berlinale Panorama 2013

von Dave Lojek

DON JON'S ADDICTION · ROCK THE CASBAH · CONCUSSION · UPSTREAM COLOR

Don Jon's Addiction
Passend zum Hauptthema Sex auf der 63. Berlinale darf man Joseph Gordon-Levitt in DON JON'S ADDICTION beim Wichsen beobachten. Sie lesen richtig. Der Playboy und Frauenbewerter Jon reißt jedes Wochenende in der Disko die heißesten Schnecken auf. Allerdings hat die Pornosucht ihn fest im Griff, weshalb er mehrmals täglich, teilweise direkt nach echtem Sex, seinen Laptop aufklappt und masturbiert, was sehr einprägsam und witzig durch ein Tonsignal und die Landung eines Papiertaschentuchs im Müllkorb markiert wird. Suchtroutine. Jon argumentiert wie auch James Franco in INTERIOR. LEATHER BAR, dass jeder Mann heutzutage Pornografie konsumiert. Er vergisst zwar die Rentnergeneration und Absitenzler, aber wir lassen die schlichte Aussage anhand gigantischer Klickzahlen auf Internetpornos gelten. Soweit zum Realitätsbezug. Der Film zeigt jedoch weder Geschlechtsteile der Schauspieler noch explizite Internetbilder, um nicht allzu streng zensiert zu werden. Europäische Kollegen des Jungregisseurs werden ihm deswegen Feigheit vorwerfen, aber wer einen Film verkaufen möchte, hält sich besser an die prüden Spielregeln. Sein Zielpublikum versteht die Andeutungen sicher.
Jon wetteifert mit seinen Freunden beim Einordnen von Diskomädchen in eine Skala. Darüber debattieren die Männer heftig, was zugleich ihren geistigen Horizont markiert. Die Erfolgsquote der Hormonbolzen gibt ihnen Recht. Die unvermeidliche dramaturgische Wendung erscheint in Form der Übertussi Barbara (Scarlett Johansson), die unseren Wichsweltmeister erpresst: Will er eine Beziehung mit ihr, muss er seiner Sucht entsagen und einen Abendkurs besuchen. Aber es wäre ja keine Sucht, wenn sie sich so leicht ausschalten ließe durch bloßen Befehl. Bei der wöchentlichen Schnell-Beichte in der Kirche berichtet der Don immerhin stolz, nur noch realen vorehelichen Sex zu haben.
Nach dem Abendkurs begegnet der Verliebte der seltsamen Dame Esther. Die von Julianne Moore gespielte Figur ist fast doppelt so alt wie er und scheint in einer psychischen Krise zu sein.
Wie meistert Jon die Herausforderung, Barbara seiner Familie vorzustellen? Warum kontrolliert sie ihn? Warum benimmt sich Esther so eigenartig? Was lernt unser trotteliger aber schnieker Held?
Anstatt den ganzen Film nachzuerzählen, sei hier noch auf den knackigen Schnitt und das erfreuliche Gag-Timing hingewiesen. Wer amerikanische romantische Komödien mag mit einfacher Dramaturgie, ist in diesem Film gut aufgehoben. Man erfreut sich an Gastauftritten und der kleinbürgerlichen Weltsicht, oder wartet auf die Nacktszenen. Der Schauspieler Joseph Gordon-Levitt landet mit seinem Spielfilmregiedebüt direkt auf der Berlinale. Davon träumen tausende Nachwuchskünstler mit weniger bekannten Namen oder Beziehungen in der Branche. Deren erste Gehversuche laufen - wenn überhaupt - nur in den Berlinale Sektionen PERSPEKTIVE oder FORUM. Wer es gerne etwas ernster oder experimenteller hat, schaue sich lieber einen der anderen Panoramabeiträge an!
     
Wertung: * * *


Rock the Casbah

Zu den relevanten Entdeckungen der Berlinale Programmgestalter gehört sicherlich ROCK THE CASBAH von Yariv Horowitz aus Israel. Eine Gruppe blutjunger Rekruten soll 1989 im Gaza-Streifen patrouillieren. Ihnen wird eingebläut, nur Gummigeschosse zu benutzen. Als Besetzer schlägt den Soldaten von der palästinensischen Bevölkerung großes Unbehagen und sichtbare Ablehnung entgegen. Ein kleiner Junge schießt mit dem Finger auf Tomer, den Frischling der bewaffneten Einheit. Nachdem Steinwerfer die Kompanie auseinandertreiben und verärgern, töten drei Jugendliche den Soldaten Iliya mit einem gezielten Waschmaschinenabwurf von einem Dach. Sie entkommen. Der Kommandeur ordnet daraufhin an, viele Verdächtige festzunehmen und zu foltern. Die Mütter klagen. Vier Rekruten müssen nun auf dem Dach kampieren um die Täter zu identifizieren. Das behagt der in diesem Haus lebenden muslimischen Familie keineswegs, denn die Soldaten benehmen sich rüpelhaft und die Familie fürchtet, als Kollaborateure zu gelten. Aki, Ariel, Haim und Tomer vertreiben sich die Wartezeit mit Rockmusik, aber die Lautsprecher des Muezzins übertönen den popligen Kassettenrekorder mit nervigen Alahu-Akbar Klängen.
Tomer kritisiert den Militäreinsatz offen, weshalb er natürlich seinen Offizieren auffällt. Er hat noch zwei Jahre Zwangsdienst vor sich in einer Stadt, die vor Guerillakämpfern strotzt. Einige Soldaten vergessen in ihrer Machposition schnell ihre Manieren, weshalb es ständig Zoff gibt. Die Eskalation scheint unvermeidlich, als der Kommandeur scharfe Munition anordnet.
Das besondere an diesem sehenswerten Antikriegsfilm ist seine Entstehungsgeschichte, die sich über 20 Jahre hinzog. Regisseur Horowitz berichtete dem Publikum, dass er Kriegsfotograf war in den frühen 90ern. Kameraden um ihn herum wurden traumatisiert vom Konflikt. Sein Filmprojekt wollte lange Zeit niemand in Israel anfassen oder finanzieren. ROCK THE CASBAH gilt jetzt als erster israelischer low-budget Kriegsspielfilm zu diesem heiklen Thema. Bisher gab es nur einen Animationsfilm darüber. Erfreulich: Arabische Länder bekunden ihr Interesse am Kinoverleih. Horowitz hat zwar keine Lösung für den Palästina-Konflikt, aber keine Seite wird ihn gewinnen können mit militärischen Mitteln. Wie jeder Antikriegsfilm verdeutlicht auch dieser die Sinnlosigkeit des Tötens, die zu einer Spirale aus Hass, Rache und mehr Gewalt anwächst. Horowitz betonte auch die Gefahr, die von Religionen und Ideologien ausgeht, welche als Vorwand für das Verstümmeln junger Seelen instrumentalisiert werden. Eine Generation Traumatisierter wandelt durch das heilige Land. Sie soll die letzte sein.

Wertung: * * * *


In CONCUSSION beschreitet die 42-jährige Abby nach einem kleinen Wachrüttler neue Lebenswege. Sie beginnt ein Renovierungsprojekt in der Großstadt und lädt sich Edelprosituierte ein. Ihrer Frau und den Kindern in der Vorstadt sagt sie davon nichts. Stattdessen lässt Abby sich von ihrem Handwerker überreden, selbst für viel Geld mit anderen Frauen zu schlafen. So lernt sie viele reiche und verschrobene Charaktere kennen. Mit einigen ist der Sex toll, aber mit den meisten eher ein Ventil.
Concussion
Wir erleben eine Welt voller Luxusgüter und überzogener Charaktere, die vielleicht typischer für Amerika sind als für Europa. Die Filmzutaten aus Geheimnis, Lust, Experiment und Beziehungssorgen mischt CONCUSSION recht ansehnlich zusammen.
Auch Lesben aus der Oberschicht haben Lebensmittekrisen, scheint uns die Regisseurin Stacy Passon sagen zu wollen. Es wundert nicht, das dieser Film im PANORAMA der Berlinale läuft, worin sich ein gefühltes Drittel des Programms mit den sexuellen Ausrichtungen der Protagonisten jenseits der Heterowelt befasst. Ob die Zielgruppe größer als die unmittelbaren Protagonisten ist, kann man schwer abschätzen.
Weder wird hier expliziter Sex abgelichtet mit sichtbaren Vaginas, noch finden sich passable Antagonisten. Dazu wählt Passon einen zu realitätsnahen Rahmen, der wenig fiktiv wirkt. Man könnte das als filmkünstlerische Stärke sehen. Wer jedoch etwas mehr Spannung oder Stimulus, Wagnis oder ein konkretes Ende im Kino wünscht, könnte leicht enttäuscht werden.

Wertung: * * *


Upstream Color
Die erzählerische Zumutung erwartet uns in UPSTREAM COLOR. Hier erlebt man eine undurchsichtige Handlung ohne klares Genre und bildverliebtes Herumdrucksen um einen Plot. Das mag daran liegen, dass sich der unsympathische Filmemacher Shane Carruth übernahm, der im Berlinale-Katalog als Kultregisseur gepriesen wird, obwohl er nur einen anderen Film drehte. Er schrieb, produzierte, drehte und schnitt seinen neuen Film selbst, denn er gestand dem Festivalpublikum, ein Kontrollfreak zu sein. Das allein muss noch nicht schlecht sein.
Worum geht es? Die wunderschöne Produktionsassistentin Kris (Amy Seimetz) gerät in einer Bar in die Fänge des Manipulators, der sie mit einem Drogenwurm willenlos macht und ihr gesamtes Geld klaut, nachdem sie Buchpassagen abschrieb aus WALDEN. Sie hebt alle Ersparnisse für ihn von allen ihren Konten ab und verkauft sogar die Goldmünzen, um damit ihre angeblich entführte Mutter freizukaufen. Dann verschwindet der Dieb komplett aus der Filmhandlung und Kris wird von einem Tonfetischisten operiert, der eine Transplantation mit einem Ferkel vollzieht. Schon trifft Kris auf Jeff, den der sparsame Regisseur gleich selbst spielt. Sie beginnen eine wirre Beziehung und erleben ihren Drogentrip, sehr wenig Sex. Dann finden sie noch andere, die vom Manipulator ausgenommen wurden. Kris erschießt den Schweinemann und baut eine Beziehung zu ihrem Ferkel auf.
Ein optisch guter Trailer lockte mich in diesen Film und mein eigener Kurzfilmtitel UPSTREAM. Ohne die Erklärungen des Regisseurs bliebe mir jedoch ein Großteil der intendierten Handlung verborgen. Das kann sowohl an meinem Filmgeschmack als auch an narrativen Schwächen liegen. Carruth wollte eine Gesellschaft zeigen, in der alle von etwas hypnotisiert werden und nur sehr langsam entdecken, was mit ihnen passiert.
Weder über das Filmbudget noch über die verwendete Kamera oder die Objektive wollte sich der Regisseur äußern. Die Bilder wirken wie in einem nicht enden wollenden Musikvideo. Wer gerne lange Experimentalfilme schaut und sphärische Musik hört, könnte UPSTREAM COLOR genießen. Sagen wir einfach, dieser Streifen ist sehr speziell, auch wenn ihn die Festivals mögen. Zumindest ein Wagnis gegen den Einheitsbrei.

Wertung: * *

17. Februar 2013

FILMthuer Festival Jena 2013


Zuckerguss auf dem Wohlstandskuchen

von Dave Lojek

http://www.filmthuer.de/index_htm_files/201.jpgWas beschäftigt die freien Filmemacher Thüringens? Womit setzen sich Weimarer Studenten oder Jugendliche in zahlreichen Medienwerkstätten auseinander? Auf dem vorzüglich organisierten und reichhaltig kuratierten 9. FILMthuer Festival konnte man sich am Wochenende darüber im zum Veranstaltungssaal umgebauten Volksbad Jena informieren. Von verschneiten Feldern, aus muffeligen Studierzimmern und den Wohnblocks Lobedas zog es die Cineasten und Regisseure zum Paradies für Vielfalt aus Klangbildern und Figurenschach. Ein Rahmenprogramm aus Tänzerinnen und der Damenkapelle Klatschmohn animierte die KulturfreundInnen zum Applaudieren. Eintritt frei! Offerten zum Grübeln eröffnete das Fest; es lud zum Kichern, Träumen, Wundern ein.
Die ausgiebige Tauchfahrt in die Gehirne der Medienschaffenden und Drehbuchautoren aus Deutschlands Mitte ermöglichte Bullaugenblicke in Dramen, Dokumentationen, Delirien und Durchdachtes. Hier finden Sie das Programm und die Preisträger: www.filmthuer.de

In der Tat bot dieses Fest eine riesige Auswahl für viele Geschmäcker und
http://filmthuer.de/index_htm_files/42.png
RALLE & BOLLE (Animation) von Winfried Bellmann
Zielgruppen. Kinder und Familien unterhielten sich köstlich bei exzellenten Zeichentrickabenteuern der putzigen Hamster. Kunstliebhaber und Kenner der experimentellen Szene freuten sich über abstrakte und rätselhafte Werke bar jedes Erzähldrucks. Erfreulich viele flüssige Spielfilme erreichten ihr Publikum, denn die Studentenfilmquote betrug 16 %. Applaus erklang fast im Minutentakt aus der Halle. Auch wenn der Emotionspegel wirklich berührter oder verärgerter Zuschauer nur ums Normalmaß tendierte, kann dieses Filmfest als Erfolg gewertet werden. Wo sonst bekommen Filmer direkte Reaktionen und Fragen zu ihrer Arbeit? Lernen am Publikum lautet die Devise.
In einer kleinen Stadt wie Jena finden nur drei jährliche Kurzfilmveranstaltungen statt. Dementsprechend motiviert und begeisterungsfähig zeigt sich das ausgehungerte Publikum. Ganz anders dagegen ist Berlin, wo sich über 70 Filmfeste aller Kulör in nur 52 Wochen drängen und die Überfütterung mit 1000 weiteren Veranstaltungen pro Tag kulturell desensibilisiert. Aber dieses Klagen auf hohem Niveau zeigt, dass Deutsche mehr als nur Krieg und Völkermord vermögen (wie in Peter Weidigs Weimarer Dokumentation NUR EIN PAAR KILOMETER vom Stadtführer und einem KZ-Gedenkstätten-Pädagogen erklärt wird). Wir sind lernfähig. Massen wollen sich unablässig (ein)bilden und gerne verkopft herumdoktern an ihre Problemchen. Manch politische Filmübung sah man in Jena und vor allem eine große Lust am Leitmedium. Diese bringt viel Halbgares hervor, aber ich langweile mich allemal lieber im Kino, als von Soldaten beschossen, von Agenten gefoltert oder Sklavenhändlern ausgeweidet zu werden in anderen Regionen dieses Planeten. Welch wohliger Kokon die Filmwelt ist, welch Zuckerguss auf dem Wohlstandskuchen, solange man sich nicht verkaufen muss.

Die organisierten Filmer des Bundesverbands Deutscher Film-Autoren (BDFA) nutzten diese Leistungsschau, um sich für Bundesfestivals in vielen Genres zu qualifizieren. Nur 4 von 64 Regisseuren gingen ohne einen Preis heim. Insofern honorierte das Festival im Prinzip jeden und jede, was zur Politik des Verbandes gehört und regelmäßig die Nicht-BDFAler verwundert, gar zum Spott verleitet. Es gibt immer mehrere dritte, zweite und erste Preise und ettliche Sondergewinner in Genres und Sparten. Statt Logik oder Mathematik herrschen in dieser Kulturnische Freigiebigkeit, Wettbewerbspossen und Aufmunterungstaktik zur Mitgliederbindung. Aber auch die Berlinale denkt sich ständig neue Preise und Trophäen aus. Man liegt damit also im Trend.

Besonders erfreut und überrascht war die 24-jährige Denise Blickhan. Sie gewann die Goldene FILMthuer samt Trophäe und Weinflasche, den 1. Preis in der Jurywertung und den Publikumspreis im Amateurbereich für ihre experimentelle Tanzperformance ASTARTES SCHLAF. Als ihr Erstlingswerk erdachte, drehte und schnitt Denise den Film in nur 30 Stunden im Herbst 2012 beim alljährlichen KinoDynamiqueJena Workshop. Der Videoclip zeigt sie selbst in einem altertümlichen Kleid auf einem Stuhl in einem schwarzen Raum. Ihre Hände schlängeln sich von ihr weg, Videoeffekte beleuchten und verfremden den Tanz zu melancholischer Musik. Der Preisregen und die Delegation zum FanTex Bundesfestival spornt die Kunststudentin Denise gewiss zu weiteren Kurzfilmdrehs an. Sie wäre eine Bereicherung des Verbandes, wie so viele unverbrauchte Jungfilmer hier.
Als Jurymitglied hatte ich die Ehre, mit Experten des BDFA über die Kreationen zu debattieren. Sonderpreise und Trophäen durften nur an Anwesende gehen. Also verscherzten sich viele ihre Preise durch Abwesenheit. FILMthuer gilt als Schleuse für Studentenfilme auf dem Weg in und durch die Amateurszene, weshalb diese zumeist sorgsam erdachten und geschickt produzierten Werke oft bis zu den Weltfilmfestspielen der UNICA gelangen und so das Land repräsentieren. Allerdings beklagen sich Amateure regelmäßig, dass sie mit den Produktionsmitteln und von Dramaturgen korrigierten Arbeiten alleine nicht mithalten können. Das stimmt. Aber ohne ansehnliche Studentenfilme flösse noch weniger junges Blut durch den von Überalterung beherrschen Verband. Durch Veränderung wird aber nichts verwässert, sondern destilliert.
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APOCALYPSE NOW (Musikvideo) von Florian Arndt
Sie bemerken meine Wortwahl zum Thema Flüssigkeiten. Ich spreche vom Volksbad, Tauchfahrten und Blutfluss.
Tatsächlich ergoss sich auch in manchen Filmen Blut wie ein ROTER FADEN, das schlichte Lebenselixier. Oder man behauptete, dass Liebe DICKER ALS BLUT ist, wenn ein lesbisches Ehepaar sich für seine Tochter rechtfertigt, die ein schwuler Freund zeugte.
Die Saale war erfrischender Drehort für meine eigene Komödie PARADIESWEHR, die Immobilienmauschelei entlarvt.     
Ein Greis berichtet über seine Zeit bei der Kriegsmarine im U-Boot 433 und seine Gefangenschaft in kanadischen Lagern. Der Enkel recherchierte vorbildlich. Das poetisch-theatralische Tryptichon OPHELIA eröffnet mit Flussbildern, gewann den Kamerasonderpreis und einen ersten Jurypreis. Auf ein Gesicht in Florian Arndts Musikvideo APOCALYPSE NOW klatscht Wasser. Steffan Fratte fragt direkt: WANN KOMMT DIE FLUT, denn seine Strumpftiere verpassen die Arche Noah. Josefine sitzt auf einem Steg hinter dem langweiligen Campingplatz neben einem Jungen und weiß: GIRLS DON'T CRY. Aus einem Tintenklecks erwachen eine Tanzmotte und ein Feuervogel in LUSYDA, um im Liebestaumel zu verbrennen.
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ICH SEHE ALLES (Spielfilm) von Georg Pelzer
Blutlos hingegen staksen die Marionettenzombies durch das Musikvideo MENSCHENFRESSER, um hirntot ihrer Einöde zu huldigen. Apropos: In der exzellenten Antimation CROSSOVER bekehrt eine große Kreuzspinne mit Tamtam und gleißendem Licht viele hypnotisierte Feuerkäfer. Welch gelungenes Simile zur fadenscheinigen Religion. Endlich sind wir nicht mehr Pabst.
Zurück zu den Ausgangsfragen: Magie und Beziehungen standen im Fokus der Filmemacher Thüringens; Alltag und Zitate trieben sie um. Es wurde verstrahlt, gemalt, geaalt und bezahlt. Der Bogen spannte sich von Sport und Ästhetik über Stalkingvorwürfe und Basteleien bis hin zu Künstlerbiographien, Generationenkonflikten und generischen Formübungen in Werbung, Musikvideo und Weltuntergängen. Menschen scheuten und trauten sich; sie telefonierten, tanzten, tätschelten.

Warum entstehen diese Filme? Sie sind Aufgaben von Filmprofessoren, Spielereien mit Kameras, Momentaufnahmen und Versuche. Sie wollen erzählen oder verwirren. Aufmerksamkeit wünschen sie sich und probieren es mit Bildsprache und Musik. Oftmals kongruiert die Intention ungenügend mit dem Anspruch und der Umsetzung. Gelegentlich misslingt Unterhaltung oder die Mittel widersprechen der Botschaft. Kurzfilm als Experimentierlabor schärft die Kunstfertigkeit und das visuelle Handwerk. Das Laufpublikum schert sich wenig um ungleiche Produktionsbedingungen oder Prämierungen. Es erwartet Kinokultur und lernt, wie wenig es durch Fernsehen und industriellen Kommerzspielfilm von der Welt mitbekommt, von den Nachbarn, den Randgruppen, Sportlern (wie in BERGLINE von Marcus Lauterbach).
 
FILMthuer zündet insbesondere der kreativen Jugend eine Fackel an, die sie olympisch in das Land tragen sollte. Die berüchtigten ergrauten Herren präsentieren zwar auch hier ihre Werke frühmorgens, aber die erfreuliche Durchmischung der Altersklassen bewirkt, dass Perspektiven sich verschieben, dass viele Stimmen erklingen in diversen Frequenzen und Melodien im Schwimmbad der Fantasie.
Wenn Sie einen Feuerkäfer beten sehen, suchen Sie die Spinne! Erzählt Ihnen jemand ein Gedicht, küssen Sie ihn! Haben Sie Kinder, hören Sie zu und beschützen Sie sie! Wollen Sie Liebe, werden Sie liebenswerter und akzeptieren Sie sich selbst!

12. Februar 2013

BERLINALE 2013 FOTOS

von Dave Lojek

Wieder feiert sich die kommerzielle Filmszene in Berlin und bietet Unterhaltung für viele Geschmäcker. Alle Informationen zu Filmen, Karten und Festlichkeiten bietet die Berlinale Webseite.
Die Menschen drängeln sich in überfüllte Kinosäle. Sie reisen an aus der ganzen Welt. Viele möchten einen Blick erhaschen auf die Stars oder gar ein Foto machen. Die Teppiche sind rot und die Gesichter strahlen. Der Kälte trotzen die Autogrammjäger. Ein Heer aus Helfern, Kellnern, Journalisten und Fahrern rotiert rund um die Uhr. Besonders unbekannte Filmemacher dürfen dieses Jahr das Festival zur Aufwertung ihrer Lebensläufe benutzen. Die Gremien pickten sich aus vielen tausend Einreichungen die Rosinen nach Themenschwerpunkten heraus und das Publikum bezahlt brav die Karten. Osteuropa und Asien sind stark vertreten, ebsenso amerikanische Independents. Die Berlinale kostet nur 22 Millionen Euro, wobei ein Drittel der Staat bezahlt. Sehr viele Helfer engagieren sich wohl ehrenamtlich. Tauchen wir in den Filmrausch ein!

Yasemin Şamdereli

Man kann in den Nebenveranstaltungen gut studieren, wie sich bestimmte Gruppen und Charaktere präsentieren lassen, abschotten oder öffnen. Manche Eliten bleiben unter sich im Co-Production Market, andere lassen die Massen an sich heran.
Im Talent Campus sprach Yasemin Şamdereli über ihre Erfahrungen als Regisseurin. Mit ALMANYA gelang ihr vor 2 Jahren ein unterhaltsames Familienportrait türkischer Gastarbeiter. Wir berichteten darüber. Derzeit sucht sie Senioren für eine Dokumentation über das Erste Mal. Wer also Urgroßeltern hat, die erst in der Hochzeitsnacht loslegten und darüber sprechen möchten vor der Kamera, sollte sich bei Yasemin melden!
  
Fredrik Bond
Fredrik Bond berichtete über die Dreharbeiten zu seinem Wettbewerbstbeitrag THE NECESSARY DEATH OF CHARLIE COUNTRYMAN mit Shia LaBeouf, Evan Rachel Wood und Mads Mikkelsen. In diesem Abenteuer verliebt sich ein unbedarfter Amerikaner in eine Rumänin und wird von deren Ex-Mann durch Bukarest gejagt, hat einen Drogentrip und schaut dem Tode ins Gesicht. Temporeich, amüsant, sehr zielgruppentauglich.
Den jungen Besuchern des Talent Campus riefen diese Regisseure zu, dass man einfach beharrlich seinen Weg gehen soll, sich die Zeit für Experimente und Fehler erlauben muss, um einen eigenen Stil zu finden. So lernt man am meisten. Das klingt abgedroschen, stimmt aber.
Kaum erwähnten sie den extremen Konkurrenzkampf um sehr knappe Ressourchen in der Filmindustrie und Filmförderung. Man möchte die jungen Träumer ja nicht entmutigen.

Hugh Hackman - Premiere von LES MISERABLES
Impressionen von Festival:

Gesangstalent Hugh Jackman freute ich über viel Applaus bei der Premiere von LES MISERABLES.



Ethan Hawke - Pressekonferenz BEFORE MIDNIGHT

Julie Delpy - Pressekonferenz BEFORE MIDNIGHT
Berlinale Kamera für Richard Linklater und seinen Film BEFORE MIDNIGHT
Christa Théret - aus RENOIR bei den SHOOTING STARS 2013