Bericht vom 9. Internationalen KinoKabaret Berlin 2012
von Dave Lojek – Festivaldirektor
von Dave Lojek – Festivaldirektor
Poster KinoBerlino 2012 |
Für junge Filmbegeisterte zwischen 18 und Mitte 40 hat sich seit 1999 die internationale KINO-Bewegung zu einem Hort freier Kreativität gemausert, die Konkurrenz mit Kooperation ersetzt, Leistungsdruck und Konformität mit spielerischer Experimentierfreude und Offenheit vertauscht. Das Aneinanderreihen von Bildern zu Szenen, Szenen zu Geschichten, erfrischt den Geist und bildet eine Oase im medialen Alltagstrott. Wir machen uns mehr Probleme, als wir bewältigen können, aber wir bleiben wachsam, netzwerkeln unentwegt, inspirieren Tausende.
Sybill Montet |
In so genannten KinoKabarets trifft man sich zum gemeinsamen Drehen, denn Film ist für uns eine Gruppenarbeit. Die siebente Kunst vereint alle anderen in sich und bleibt zeitlebens eine Herausforderung für jeden, der sich damit befasst. Lob und Kritik aus der unmittelbaren Zielgruppe sorgen für die emotionale Achterbahnfahrt im Künstlerleben.
Angehende Regisseure oder Amateurfilmer treffen auf Schauspieler, Möchtegerne oder Naturtalente aus anderen Ländern und erkennen in der Praxis, dass ihre Drehbücher manchmal zu kulturspezifisch und dialoglastig sind. Also improvisieren sie und wundern sich über die pure Kraft des Zufalls. Kameraleute und Fotografen mit den unterschiedlichsten Erfahrungswerten verabreden sich mit Cuttern und Musikern. Bastler und Maskenbildner gestalten Kostüme und Gesichter. Alle bringen ihre eigene Technik mit und borgen sie sich untereinander. Verrückt? Bestimmt, euer Ehren! Aber es macht eine Mordsgaudi.
Die Regeln sind denkbar simpel: „Do well with nothing, do better with little and do it right now!“
Soll heißen: Erschaffe etwas Gutes aus dem Nichts, mache es besser mit ganz wenigen Mitteln, und tue es jetzt sofort!
Angela Jehring als Engel |
Wie entsteht dieser Sog? Am Anfang stehen die Liebe zum Filmen und der Wille, eine neue Kino-Zelle in diesem bereits 70 Städte weltweit umfassenden Netzwerk zu gründen. Weit mehr als 5000 Aktive tummeln sich darin und bereisen die befreundeten Gruppen, ganz ähnlich übrigens den BDFA- und UNICA Festivals.
Produktionstreffen |
Wie macht man ein KinoKabaret? Ein kleines Team organisationsbegabter Filmer veranstaltet monatliche Kinoabende in ihrer Stadt und lockt freie Filmschaffende an. Sagen wir in Berlin, wo es über 80 Filmfestivals pro Jahr gibt. Man findet einen Termin für das jährliche KinoKabaret und benachrichtigt auf Flyern und im Internet sowohl die direkte Zielgruppe als auch einige Magazine und andere Multiplikatoren. Das Team besorgt sich einen Veranstaltungsort und ein Kino für die Vorführungen. Soweit dürfte Filmfestivalorganisation bekannt sein.
Märchendreh |
Man darf davon ausgehen, dass nicht jeder Film oscarreif wird, den man ihn so großer Eile ohne Budget oder Verwertungsinteresse zusammenfriemelt. Das ist aber auch gar nicht der Anspruch. Zum Erproben wurde das KinoKabaret erfunden.
Vorstellung im Kino Moviemento |
Ambitionen haben wir, ja doch! Mal einen Dreh ordentlich vorbereiten, oder Zeit zum Proben mit den Schauspielern finden. Mal was Zeigbares zaubern oder Fördergelder absahnen. Aber wir igeln uns nicht permanent in der Wunschvorstellung ein. Das macht doch depressiv. Die beste Heilung dafür ist unsere Produktivität. Wir drehen uns schneiden bis der Arzt kommt!
Gruppenbild bei Eröffnung |
Die Genres und Themen überspannen ein gewaltiges Spektrum. Avantgarde nannte man das früher. Für viele Geschmäcker findet sich Augenfutter. Von kleinen Gags über Poesie bis zur Superheldenpersiflage reicht die Schaffenskraft. Schönheitswahn wurde kritisiert, Menschen wurden erdrosselt, Werbung persifliert. Ernsthaftes ist Mangelware. Beliebte BDFA-Genres fehlen hingegen völlig. Die jungen Leute machen keine Reise-, Familien-, Folklore- oder Tierfilme. Zu wichtig ist vielen das Filmemachen, als dass sie es nur als Hobby verstehen würden. Solche engen Zuschreibungen finden viele obsolet. Hybris der Jugend.
Ansturm auf Registrierung |
Wenigen vergönnte die Natur oder Erziehung das Regietalent, aber Kameras sind kinderleicht zu bedienen, wenn man Schulterstative ausleihen kann. Und ein Haufen spielbereiter Mimen drängelt sich ins Bild. Welche Teamkonstellation bringt das ergreifende oder belustigende Werk ins Kino? Wie kommt der Film außerhalb der eigenen Zielgruppe an?
KinoLab (Schnittraum) |
Oft mag sich das Publikum fragen, wozu der einzelne Film gut sei, warum er überhaupt entstand. Die Regisseure bleiben uns die Antwort schuldig und lernen ihre eigenen Grenzen kennen, um sie bald zu erweitern. Sie begreifen, dass man sie nach Intentionen fragen und mit Geschmacksurteilen bewerfen wird. Schon flimmert aber der nächste Versuch über die Leinwand. Solche Vorstellungen dauern gut und gerne drei bis fünf Stunden.
Filmabgabe im Kino |
Narratives nimmt mit 20 % traditionell eher eine Nische ein. Da hilft alles Mahnen wenig. Das Publikum muss da durch. Allerdings sitzen im Publikum zu 95% Teilnehmer der Veranstaltung, was natürlich jede Menge Applaus selbst für den Trash beschert.
Das KinoBerlino Team betreute die Veranstaltung wieder vorbildlich. Noch während des Workshops trat jemand der Organisation bei und leistete freiwillig Dienst im Büro und an der Bar. Allen gelten mein Dank und meine Hochachtung. Was machen wir zum 10. Jubiläum 2013? Für Vorschläge bin ich offen.
Festivaldirektor Dave Lojek |
Hier darf man gerne in unsere Arbeiten hineinschauen:
www.vimeo.com/groups/kinoberlino
KinoKabarets gibt es auch in Wien, Hamburg, Mainz, Dresden, Jena, Prag, Brüssel und vielen weiteren Städten in Mitteleuropa. www.kinokabaret.org
Jeder Filmer ist willkommen, der sich daran beteiligen möchte. Traut Euch!
Fotos: Sophie Stallegger & Guglielmo Pinsone
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