22. März 2011

Berlinale Abschlussbericht 2010 Teil 2


PANORAMA | PERSPEKTIVE | SHORTS | FORUM

Was gab es im PANORAMA neben den üblichen Gender-Filmen zu sehen?
Andy Serkis, der sich als Gollum und King Kong bei Peter Jackson profilierte, tritt ganz ohne Spezialeffekte und lediglich mit einem Hinkebein in SEX&DRUGS&ROCK&ROLL als Ian Dury auf. Diese flippige Biografie von Mat Whitecross nimmt es nicht so ganz genau mit der Wahrheit und bebildert das Leben eines exzentrischen englischen Sängers. Serkis gelingt dabei die Erschaffung einer zwiespältigen Figur, die einerseits verheiratet ist und einen Sohn zeugte, andererseits mit einer viel jüngeren Afrikanerin in einer langen Beziehung zusammenlebt und auch gerne Drogen konsumiert. Dury erlebt in der Punk-Ära mit seinen Bands sowohl Hochs als auch Tiefs. Er meisterte die Selbstinszenierung und scheitert an der Welt und seinen Süchten. Der Film springt wild in den Zeitebenen herum und zeigt einen Mann, der durch frühe Polioschädigung viel Häme einsteckte, bevor er zum Exzentriker wurde. Sehenswert.

Der Derwisch und Wunderheiler KOSMOS kommt in eine kleine türkisch-bulgarische Grenzstadt und rettet Leben. Er spricht die Krähensprache mit einem Mädchen. Ein Krieg tobt in Hörreichweite und viele alte Menschen suchen Kosmos auf. Als Dieb und Liebessucher eckt er aber auch an und wird wieder verjagt (siehe lange Rezension).

Das man aus Müll Kunst machen kann, beweist der Dokumentarfilm WASTE LAND von Lucy Walker. Der brasilianische Künstler Vik Muniz fotografiert Müllsortierer auf der größten Deponie der Welt in Rio de Janeiro. Dann projiziert er die Fotos in einer Halle auf den Boden und die Projektteilnehmer legen ihre Portaits mit kleinteiligen Müllobjekten nach. Zum Schluss fotografiert Muniz das Resultat und verkauft großformatige Abzüge davon bei Auktionen. Das Geld teilt er sich mit den stolzen Teilnehmern, deren Leben sich im Laufe der langen Aktion wandelte. Sie sehen sich im Museum an der Wand hängen. Im Film erlebt man, was es bedeutet, auf einer Deponie zu arbeiten und wie es sich im sozialen Abseits anfühlt. Auf Texttafeln liest man, was aus den Menschen wurde. Wermutstropfen: Muniz' Frau ließ sich wegen der ethisch fragwürdigen Aktion scheiden. Aber seine Kunst wird weiterhin im sechs-stelligen Bereich gehandelt.

Miguel Albaladejo wollte mit NACIDAS PARA SUFRIR (BORN TO SUFFER) einen Liebesfilm ohne Küsse drehen, in dem keine Liebesschwüre ausgesprochen werden. Dazu wählte er ein kleines spanisches Dorf und sehr alte Protagonistinnen. Flora (Petra Martinez) macht sich über ihr Erbe Sorgen. Sie will ihren Nichten nichts hinterlassen, weil sie sie zwar aufzog, aber die Nichten sie nun in ein Altenheim geben wollen. Daher heiratet Flora ihre Haushälterin Purita (Adriana Ozores), damit sie alles erbe. Im Dorf sorgt das für einigen Wirbel. Diese Komödie strotzt vor Situationskomik und bombardiert die Zuschauerin mit vielen Wortwechseln. Allerdings findet keinerlei Intimität statt und die Zuneigung der beiden Frauen wird auf harte Proben gestellt. Puritas eigene kränkelnde Mutter usurpiert schließlich Floras Haus und verfrachtet sie doch ins Altersheim. Kann Purita das wieder geradebiegen?

Am freundlichen Kurierfahrer Aoyagi gibt es wenig Auffälliges. Er rettete lediglich vor ein paar Jahren eine Popsängerin vor einem Dieb, weshalb er kurz in den Medien erschien. Unsanft erwacht Aoyagi jedoch aus seinem GOLDEN SLUMBER, als man ihm das Attentat auf den frisch gewählten Premierminister anhängt, das er mit einem Spielzeughubschrauber und einer Bombe verübt haben soll. Er kann sich aber nicht daran erinnern und flieht also vor der Polizei. Darf er seinen Freunden vertrauen und vermeiden, zum Sündenbock und Ziel einer fabrizierten Menschenjagd zu werden?
Mit 139 Minuten geriet dieser Actionfilm von Yoshihiro Nakamura zwar etwas lang, gewinnt aber zum Ende hin an Dynamik und überrascht mit einfallsreichen Fluchtmanövern des Helden. Auf seinem Weg bekommt er von unerwarteter Seite Hilfe und inszeniert seinerseits ein gehöriges Feuerwerk. Seine Paranoia überträgt sich zunehmend aufs Publikum und erzeugt die bei Berlinalefilmen so oft vermisste Spannung.

In BRÓDER von Jeferson De bekommt der verschuldete Macu unerwarteten Geburtstagsbesuch von seinen Freunden Jaiminho und Pibe, die beide aus der armen Vorstadt von São Paulo fortzogen. Sie fahren durch die alte Heimat und haben Spaß. Leider ist Macu in eine Entführung verwickelt, um seine Schulden zu bezahlen. Seine Schwester ist vom Fußballprofi Jaiminho schwanger und Pibe heiratete Macus Exfreundin. Als er nach einer Planänderung den viel wertvolleren Freund Jaiminho entführen soll, muss er die schwerste Entscheidung seines Lebens fällen.
Bemerkenswert ist nicht nur die Handlung und lebensnahe Schauspielleistung, sondern auch die langwierige Entstehungsgeschichte dieses brasilianischen Films. Die Vorführkopie konnte nach vielen Produktionsjahren nur erstellt werden, nachdem die Berlinale den Film ins Programm nahm. Erst jetzt wird er auch in seinem Entstehungsland in die Kinos kommen. Dementsprechend glücklich waren die angereisten Protagonisten mitsamt Produzentin.


Aktuelle Studentenfilme versammelte wie üblich die PERSPEKTIVE DEUTSCHES KINO. Die Bandbreite reicht von klassischem Erzählfilm bis zur Dokumentation. Allerdings ist bei Studentenfilmen zu beachten, dass sie nicht immer kinotauglich sind, weil sie oft Grundregeln der Unterhaltsamkeit und Spannungsbögen missachten oder sich mit unentschlossenen länglichen Experimenten vor dem Diplom noch einmal eine stilistische Auszeit schaffen. Die Studenten werden später in den Medienalltag der Soaps, Reportagen, Fernsehserien und Talkshows gesogen. Redakteure diktieren ihre Rahmenbedingungen. Alljährlich bilden die Filmschulen 66 Regisseure und noch viel mehr Kameraleute und Cutter aus. In zehn Jahren sind das schon 660. Die Bewerberzahl auf diese Ausbildung steigt beständig und führt zu unfassbar arroganten Auserwählten. Dieser unschöner Kampf um Ressourcen und Netzwerke prägt den gesamten Filmnachwuchs.
Ein Studienplatz bedeutet zwar einerseits Zugang zu feiner Filmtechnik, Expertenwissen und den Aufbau eines professionellen Netzwerks, füttert jedoch den audiovisuellen Markt beständig nur mit relativ angepassten Absolventen. Viele träumten von Kinofilmen und enden als Lakaien. Extrem wenige schaffen es dann, dauerhaft kommerziell erfolgreiche Unterhaltung mit künstlerischem Anspruch abzuliefern. Die in Deutschland im Verhältnis zu Amerika und den Filmwilligen unwahrscheinlich knappen Produktionsressourcen liegen fest in der Hand etablierter Firmen und Förderungen. Daran wird sich kaum etwas ändern. Die Sendeplätze für den Nachwuchs liegen meist in der Nacht, wo mit Einschaltquoten kaum zu rechnen ist.

In LEBENDKONTROLLE hat der Endzwanziger Mark einen Tag Freigang. Er willigt ein, der Tochter seines Zellengenossen ein Geldpacket zu bringen. Leider findet er sie nicht in einem Hotel vor sondern in einem Puff und wird von ihrem Luden verprügelt. Als er so bei seiner Freundin ankommt, regt sie sich auf. Aber er will einfach nur Sex, auch wenn sie nein sagt. Das ist der Tiefpunkt. Seinem Zellenkumpel jedoch erzählt er eine andere Geschichte, die keine Unruhe aufkommen lässt. Das überrascht und macht den Film rund!
Bildtechnisch sehr elegant umgesetzt gelingt diesem Halbstundendrama eine ordentliche Struktur mit Situationen, die sowohl aus dem Leben sind als auch der Steigerung, die das Genre verlangt. Eine Jury aus jungen Franzosen und Deutschen vergab dafür den Preis Dialogue en Perspective. Weshalb es den Organisatoren der PERSPEKTIVE bisher nicht gelang, einen finanzkräftigen Preisstifter zu finden, wurde bei der Verleihung ebensowenig erklärt wie die Frage, warum Franzosen den deutschen Nachwuchsfilm beurteilen sollen.

Ebenfalls von der HFF kommt WAGs. Hier sind die Bilder mit einer RED ONE Kamera gedreht worden und haben noch hübschere Farben. Zwei Fußballerfreundinnen lernen sich kennen und erleben eine abwechslungsreiche Zeit zusammen in Berlin, bevor ihre Freunde zu anderen Clubs wechseln. Die beiden leben im Luxus und langweilen sich. Dina (Vesela Kazakova) ist aus Bulgarien und möchte der jungen Judith (Sonja Gerhardt) Alternativen zum Nichtstun aufzeigen. Wie wäre es mit Mode, für die Judith ein Talent besitzt? Das Beste an dem Film ist die Auslassung langer Passagen über Fußball. Die Frauen bieten genug Kontrast für die 40 Minuten, sowohl vom Schauspiel als auch vom Typ.

Eine Hommage an Mad Max heißt THE BOY WHO WOULDN'T KILL von Linus de Paoli. Darin wird eine postapokalyptische Welt gezeigt, in der den überlebenden Menschen die Zivilisation ein wenig abhanden kam. Der wortkarge Anjo lebt mit seinen Eltern und der Schwester in einer schmutzigen kargen Hütte mitten in einer Wüste (Drehort Rüdersdorf) und träumt von einer Stadt. Er kann nicht mal ein Huhn köpfen, während der Vater geübt einen Räuber von seinem Motorad schießt. Anjo schleicht ins Räuberlager und stiehlt Benzin. Leider nimmt ihm ein anderer Landpirat das Gewehr ab und erschießt die Mutter. Anjo soll nun für den Vater Rache üben, bleibt aber dem Filmtitel treu.
Besonders gelungen ist neben Ausstattung, Besetzung und Kameraarbeit auch der Soundtrack von Felix Raffel. Der Film lebt von der Musik und kommt ohne große Dialoge aus, denn er vertraut den Bildern und dem kulturellen Gedächtnis an die Mad Max Trilogie. Man hat das Gefühl, dass eine Zusammenarbeit der HFF mit der DFFB zum Vorteil für das Publikum wird.

In HOLLYWOOD DRAMA erleben wir einen Schauspieler, der vollkommen in seiner Nazi-Rolle aufgeht und gar nicht merkt, dass sein Filmteam ganz woanders ist. Als sein Regisseur für diesen Film einen Preis gewinnt und beide nach Hollywood übersiedeln, bekommt unser Overactor plötzlich Bedenken, weil er eine alberne Szene in einem Gemüsekostüm spielen soll. Allerdings sollte er sich lieber um den Praktikanten sorgen, welcher vergaß, eine Nachricht an die Sicherheit im Filmstudio weiterzugeben.
Der Film vom sehr jungen Sergej Moya karikiert die Zustände und Befindlichkeiten von Filmleuten. Er arbeitet mit einigen Tricks und gewinnt die Sympathie des Publikums mit einem deftigen Ende.

Ein Frisör erzählt seiner greisen Kundschaft in GLEB'S FILM seine Drehbuchidee über eine Romanze der ungewöhnlichen Art. Diese verändert sich fortwährend in einer Dokumentation, die ausschließlich im Hamburger Salon stattfindet. Leider fesselt das kaum.

Mit FRAUENZIMMER widmet sich Saara Alla Waasner drei Prostituierten, die in Berlin ihre Kunden aus sehr verschiedenen Milieus bedienen. Die Damen sind allerdings schon Großmütter und chargieren zwischen ihren Rollen. Vom Sex bekommt man nur minimale Tonaufnahmen mit, denn es geht der Regisseurin um das Leben der Sexarbeiterinnen und ihre Motivation. Eine Domina und eine Hobbynutte werden mit einer Bordellbesitzerin verglichen. Auch diese Dokumentation findet kein rechtes Zentrum, weist erhebliche Längen auf und hat so gut wie keine Erotik zu bieten. Aber immerhin erreicht sie, dass man das Wort Sexarbeiterinnen verwendet.

Das Mädchen JESSI besucht die Mutter im Gefängnis und die Schwester auf dem Lande zum Geburtstag. Dann macht sie einen Ausflug alleine und wird von der Ziehmutter vermisst. Jessi entscheidet sich für eine gewagte Frisur. Ein sehr schweigsamer Film ohne Spannungsbogen, der einfach nur auf das Mädchen zeigt. Wenn nichts Besonderes passiert, wozu dann einen Film machen? Das möchte man die Regisseurin Mariejosephin Schneider von der DFFB fragen und den verantwortlichen Lehrern mehr Sorgfalt in der Dramaturgieausbildung empfehlen. Bitte testet diese Studienarbeiten an einem Publikum, das nicht aus den Filmteams und Verwandten besteht.

Dem schwierigen Thema der Kindstötung widmet sich NARBEN IM BETON. Eine mit drei Kindern schon überforderte Mutter in einem Plattenbau entsorgt ihr frisch geborenes viertes. Als der Vater wieder einziehen will, nachdem er eine Sexaffäre mit einer Nachbarin hatte, unterbindet Anna dies (siehe Rezension).

DIE HAUSHALTSHILFE Martina aus der Slowakei kümmert sich um eine Greisenpaar am Bodensee. Sie betreut den senilen und ans Bett gefesselten Max und erträgt seine garstige Frau Lore, einen rollenden Hausdrachen allererster Güte. Als Lore sich bei der Agentur wegen Nichtigkeiten beschwert, möchte Martina unbedingt fliehen. Das hohe Alter erschreckt uns in der Dokumentation von Anna Hoffmann. Ein gruseliger Blick in die eigene Zukunft, in der man von osteuropäischen Frauen gefüttert und gewickelt wird und zum Dank an ihnen herummäkelt.

In BEDWAYS scheitern drei junge Schauspieler daran, einen Film mit einer expliziten Sexszene zu drehen. Eins der Mädels soll eigentlich die Regisseurin abgeben, der partout nichts einfallen will. Stattdessen haben sie einfach nur so Sex bei den Probeaufnahmen und zeigen ihre Geschlechtsorgane in die Kamera. Bereits nach wenigen Minuten ödet der Inspirationsmangel der Figuren so sehr an, dass man an den Sexszenen keine Freude mehr hat. Da wünscht man sich eine Fassung um die sieben Minuten, aus der das Gelabere komplett herausgeschnitten wurde. Die achtzig Minuten Filmzeit lassen nur ein Fazit zu: Ab in den Giftschrank!


Kaum jemand, den man nach der Vorführung eines der fünf Programmblöcke der BERLINALE SHORTS ansprach, war wirklich durchweg begeistert. Man hatte das Gefühl, dass zunehmend lange und mitunter langweilige Kurzfilme aus den 1000 Einsendungen gewählt wurden. Kurzfilm als eigenständige Kunstform zu betrachten fällt schwerer, wenn immer wieder Werke gezeigt werden, deren Macher eigentlich später Spielfilme produzieren wollen. Dann ist man nur auf der Durchreise. Wieder hat man es vornehmlich mit Studenten- oder Absolventenfilmen zu tun. Die Regisseure gelangten eben allein durch die Beziehungen, die sie im Studium knüpften, an die Produktionsmittel. Wann öffnet sich die Berlinale endlich all den Filmemachern, die ohne Budgets und ohne Filmstudium Sehenswertes zu Wege bringen? Diese arbeiten aus Kostengründen natürlich mit Videokameras und können meist nur DVDs einreichen oder eben miniDV Bänder. Die Resultate haben dann eine Fernsehauflösung und sind weniger ausgeleuchtet. Aber dafür strotzen sie nur so vor Ideen.

Allerdings gab es auch Kleinode wie den verträumten Animationsfilm AKAI MORI NO UTA (THE SONG OF RED FORREST). Ein mythisches Wesen mit Menschenkörper und Rehkopf läuft mit einer Sitar durch den Dschungel. Es setzt sich hin und spielt eine Musik, die viele Tiere und Fabelwesen anlockt.

In einem Selbstexperiment namens UNPLAY schläft Joanna Rytel mit zwei Freunden und fragt sie, wie sie das finden. Man weiß nicht genau, ob das inszeniert ist. Der Film besteht nur aus einer Einstellung vom Stativ auf ein Bett und einem kurzen Gang durch eine Stadt zu einem Café.

Zum Gewinner des goldenen Kurzfilmbären HÄNDELSE VID BANK sowie zu DERBY, WO ICH BIN IST OBEN, GLUKHOTA und A PERM findet man jeweils detaillierte Kritiken auf unserer Webseite.

Mit dem gelben Mond hat ZUTI MJESEC nichts zu tun. Eine neue Nachbarin möchte sich schwangeren Lana vorstellen. Die Frauen machen Smalltalk in der Küche und kommen nicht richtig in Fahrt, aber dann teilen sie unter der Bettdecke ein Geheimnis, von dem der Zuschauer nichts erfährt. Da fragt man sich, wozu man den Film braucht. Muss also Kunst sein.

Der TUNNEL führt das Mädchen Elizabeth in Zimbabwe zurück in ihr Dorf, in dem sie ihren verschollenen Vater vermutet. Allerdings erfindet sie in der Geschichte, die sie den Soldaten erzählt, bestimmte Dinge hinzu. Immerhin hört ihr der Hauptmann zu. Wird er ihr Helfen, das Dorf von den Invasoren zu befreien?

Wieder einmal hat Jonas Odell ein Interview geführt und dann in TUSSILAGO zum Animationsfilm umgearbeitet. Der unverwechselbare und sehr aufwändige Collagenstil paart sich mit sehr schnellem Schwedisch, wobei meist weiße Untertitel auf weißem Grund kaum lesbar sind. Es geht um die Freundin eines deutschen RAF Mannes in Stockholm und die Zeit, die sie mit ihm verbrachte vor seiner Verhaftung und ihrer. Gewissermaßen gibt der Film ihr ein Stück Leben zurück, das sie wohl im Knast verbrachte. Die vorangegangenen Filme Odells hatten den Vorteil, dass mehrere Stimmen zu Worte kamen und die Themen erster Sex und Lüge beim Publikum stärker wirkten. Der nächste Film wird bestimmt wieder daran anknüpfen.

In COLIVIA bringt ein rumänischer Jungen eine verletzte Taube in die Wohnung. Lange zaudert der Vater, dem Tier zu helfen. Als er endlich einen Käfig besorgt, ist der Vogel weg. Noch ein Familienfilm.

Zitate aus Joseph Conrads „Herz der Finsternis“ erklingen zu einer Flussfahrt irgendwo in Asien. Dieses Gewässer gleicht einer riesigen Müllhalde und manchmal baden sogar Kinder darin oder Fischen mit Netzen. Ascan Breuer nennt das Resultat dieser Abfallbesichtigung PARADISE LATER. Der Kontrast zwischen melancholischem Sprechtext und ekliger Landschaft mag Fragen zur Zivilisation, Überbevölkerung und Umweltverschmutzung aufwerfen.

Der Belgier Nicolas Provost hat in LONG LIVE THE NEW FLESH Szenen aus Horrorfilmen wie Shining, Alien und Carrie zusammengeschnitten. Dann ließ er eine Software die Bilder ineinander morphen und den Sound verunstalten. Vorlage für die visuelle Veränderung sind Komprimierungsfehler von digtalem Filmmaterial. Man hat das oft im Internet, wenn Codecs nicht richtig funktionieren und die Pixel wild herumspringen. Als Resultat bekommt man eine Viertelstunde Schockerszenen, die mitunter bis zur Unkenntlichkeit entstellt sind. Provost erhebt also das Digitalrauschen zur Kunstform und arbeitet sich an Monstern, Mord und Mutationen ab.


Eher Pech hatte ich mit meiner Auswahl im Bereich FORUM. Grundregeln des Spannungsaufbaus im Film werden bewusst negiert. Die Resultate schläfern oft ein und halten mich davon ab, mich eingehender mit dieser Festivalsektion zu befassen. Kunst, Didaktik, Alltagsdramen. Als unabhängier Filmemacher sollte dies eigentlich genau meine Sektion sein. Aber es gab Hoffnungsfunken im Sammelsurium des unabhängigen Kinos.

Yang Yonghi. eine Japanerin mit koreanischen Wurzeln, filmte über zehn Jahre hinweg ihre Nichte SONA, THE OTHER MYSELF. Diese Familienvideo zeigt, wie das Kind heranwächst aber die nordkoreanische Gesellschaft erstarrt. Die Einreise wird immer schwerer und Verwandte sterben irgendwann. Das fühlt sich so an, als hätte jemand aus West-Berlin seine Ostverwandtschaft in den 80ern gefilmt. Mit einfachsten Mitteln und viel Fleiß entstand ein emotionales Portait auch der Regisseurin selbst. Einer der wenigen Filme, die auf miniDV Kassetten gedreht wurden und es bis in die Berlinale schafften.

Der rumänische Geheimdienst Securitate jagte und vernichtete in den 50ern eine Gruppe Partisanen in den Bergen. PORTRAIT OF THE FIGHTER AS A YOUNG MAN von Constantin Popescu führt uns durch Wälder und Dörfer zu diesen Widerstandskämpfern, die sowohl zahlenmäßig als auch waffentechnisch stark unterlegen sind. Sie nutzen zwar das Gelände, werden aber einer nach dem Anderen geschnappt, gefoltert oder gleich erschossen. Sie opfern sich für eine Illusion der Freiheit und warten vergeblich auf amerikanische Hilfe. Während die Offiziere die Frauen der Kämpfer foltern, gefundenes Filmmaterial auswerten und eine irrsinnige Ideologie mit Gewalt durchsetzen, schwindet mit jedem Kameraden auch die Motivation der Waldkämpfer in den Karpaten. Die Luft ist leider aus dem Film dramaturgisch schon nach der Hälfte raus.

Im südindischen Bundesstaat Goa beaufsichtigt Vinayak in THE MAN BEYOND THE BRIDGE die Waldarbeiter. Eines Tages kommt eine Bettlerin zu dem Witwer. Er scheucht sie fort aber sie taucht wieder auf. Aus Mitleid wird schnell Liebe, was der Dorfgemeinde missfällt. Diese billigt lieber den Holzklau, damit ein Tempel gebaut werde. Irgendwann reißt Vinayaks Geduldsfaden und mit ihm die Brücke über den Fluss zum Wald. Noch einer dieser extrem ruhigen Filme, vor denen man viel Koffeinhaltiges getrunken haben sollte.

Der französische Flughafen ORLY ist die Kulisse für einige Dialoge Reisender. Obwohl die Bilder gut gemacht sind, langweilt dieser Film von Angela Schanelec bald. Alltagssituationen sollten irgendeine klar erkennbare Dramaturgie und Steigerung besitzen, damit sie filmwürdig werden. Zumindest, wenn man ein Festivalpublikum ansprechen will. Wundersam sind die Wege der deutschen Filmförderung.

So richtig fantastisch wirkt OUR FANTASTIC 21ST CENTURY von Ryu Hyung-ki nicht. Vielmehr erdrückt uns eine Stille um die Protagonistin Soo-young, die Regale einräumt und sich Videospielkonsolen abzweigt, damit sie Geld für eine überflüssige Schönheits-OP hat. Das mag als Sozialkritik präzise und wertvoll sein, unterhält aber im Kino kaum. Wenigstens einen minimalen Spannungsbogen bekommt Ryu hin, und baut winzige Humorszenen mit Kostümen ein. Obwohl man exakt im Zentrum der Zielgruppe sitzt, springt kaum Empathie zu den Figuren über.

Die Collage LA BOCA DEL LUPO gewann den Calligari Preis aber langweilte mit einer Erzählerstimme und Archivbildern aus Italien derart, dass ich es nur 15 Minuten ertrug.

4. März 2011

Berlinale 2011 Festivalbericht

The King's Speech
Berlins größtes Filmereignis brachte zum 61. Mal zehntausende Cineasten und Filmschaffende zusammen und flackerte frenetisch durch den medialen Februar 2011. Bei der massiven staatlichen  Kulturförderung darf man das auch erwarten. Es ist derart komplex, dass ein Resümee nur Streiflichter erfassen kann. Fest steht: Film ist allgegenwärtiges Verbrauchsgut, Unterhaltungsgarant zumeist und oftmals kompliziert in der Herstellung. Bildmacht und Emotionskatalysator zugleich blendet und betäubt uns das Medium und erzeugt Träume, Wünsche und Geschichten.

Man brauchte sich jedoch nur wenige hundert Meter vom Potzdamer Platz zu entfernen um zu bemerken, wie wenig Notiz die Bevölkerung davon nimmt. Während man als Reporter oder Regisseur täglich mehrere Filme schaut, Empfänge und Vorträge besucht, abends Festivalparties geniesst, plätschert der Alltag gleichmäßig dahin für die Stadtbewohner. Einige stellen sich zwar für die teuren Kinokarten an, aber die meisten fahren einfach zur Arbeit oder heim, kaufen ein oder verkaufen, konsumieren und kommunizieren. Insofern bekommt man eine Außensicht auf dieses Hochenergiegebilde namens Filmfestspiele. Man begreift den Luxus und das Privileg, sich mit der Filmkunst nach Herzenslust befassen zu können und kommentiert, kritisiert, applaudiert.
Armin Mueller-Stahl
Also möchte ich mich bei allen Festivalorganisatoren, Filmemachern und den fleißigen Helferinnen bedanken, die uns dieses Ereignis alljählich schenken. Es war vergnüglich und anstrengend, mal voller Kinowunder, mal rätselhaft. Auf dem EFM brummte nach Aussagen des Managements das Filmgeschäft. Man traf liebe Bekannte an den Verkaufsständen und plauderte mit Produzenten, Verleihern und dem Personal. Armin Mueller Stahl erhielt eine Hommage und eine goldene Kamera für sein beachtliches Lebenswerk.

Late Bloomers
Die Shooting Stars wurden artig fotografiert und einige etablierte Schauspieler defilierten über den Teppich, den roten. Autogramme beglückten Fans. Plakate mit großen Bs schmückten die Hauptstadt. Der TALENT CAMPUS vernetzte die Jungfilmer mit den Experten wie gewohnt. Inzwischen werden sogar schon Kinoiten dort hereingelassen, jene aktivste Guerilla-Filmergattung, die ohne Budgets, Vorbereitung oder Wettbewerb bei Filmworkshops (KinoKabarets) ihre Kurzfilme fast monatlich produziert. Sehr erfreulich!
Ralph Fiennes (CORIOLANUS) und der Komponist Michael Nyman gaben sich die Ehre ebenso wie Isabella Rosselini, deren Schauspiel in LATE BLOOMERS neben William Hurt erblühte. 

Margin Call
Die Festivalsektionen verschwammen wie üblich vom Profil, aber letztlich ging es immer um Bewegtbildphantasien oder Weltabbildung. In MARGIN CALL drehen Börsenfutzis um Kevin Spacey ganz linke Dinger, um ihre Haut zu retten. Sie lösten so das Finanzdesaster 2008 aus. Ein stotternder englischer König wird in THE KING'S SPEECH von einem amüsanten Australier (Jeoffrey Rush) therapiert. Dafür bekam Colin Firth einen Oscar. Und die Queen Mom wurde verkörpert von einer großartigen Helena Bonham Carter. Apropos: Kulinarisch wurde es in der Komödie TOAST. Helena Bonham Carter gibt hier auch als Mrs. Potter dem jungen Nigel Slater (Freddie Highmore) ordentlich Zucker. Soll heißen: Die beiden wetteifern im Kochen und Backen um die Gunst von Nigels verwittweten Vater in den 1960ern. Aus Nigel wird trotz einiger Rückschläge später einer der besten Köche Englands. Sehr vergnüglich.
Brendan Gleeson und Don Cheadle ermitteln in Mordfällen an der irischen Küste. Sie wollen in THE GUARD auch noch einen großen Drogentransport verhindern. Soweit wäre das nicht erwähnenswert, würden die Charaktere nicht so ulkige Eigenarten aufweisen. Der Dorfpolizist macht den FBI Ermittler mit seiner ruhigen Art ganz wuschig. Eine Krimikomödie, die man sich im PANORAMA anschauen konnte.
Mein bester Feind
In MEIN BESTER FEIND spielt Moritz Bleibtreu einen Wiener Juden, der nach einem Flugzeugabsturz die Naziuniform seines Freundfeindes Smekal anzieht, um zu überleben. Eine recht gelungene Dramödie mit vielen Wendungen und Ursula Strauss als Lena. Viele Schauspieler in Murnbergers Film sprechen mit echtem Wiener Akzent, nur Bleibtreu leider nicht. Ansonsten prima inszeniert, verwundert also diese Besetzung. Ja, es ist ein weiterer Streifen über die Nazis und KZs, der aber auch zum Lachen einlädt. Vielleicht sollte einfach das deutsche Publikum vom Namen Bleibtreu angezogen werden, denn Österreich und Luxemburg als Produktionsländer sind natürlich viel kleiner, was die Kinoauswertung anbelangt. Mal sehen, ob das funktioniert wie in Murnbergers grandiosem KNOCHENMANN.

Schaute man genauer hin, stellte man im Festival eine gewisse Medienmüdigkeit fest sowohl bei den Inhalten als auch bei den Machern. Lag es am Wetter, an der Weltpolitik oder an den Hormonschwankungen? Rührte es von sinkenden Produktionsbudgets oder der übergroßen Konkurrenz aus den USA her? Der Wettbewerbsblock schwächelte nach einhelliger Kritikermeinung, was natürlich dem Kartenverkauf keinen Abbruch tat. Umsatz wird die Berlinale gewiss gemacht haben, aber die Filmqualität schwankte wie gewohnt, weil ja so viele Geschmäcker bedient werden wollen. Das Festival verästelt sich.
Was gab es Neues? 3D ist eigentlich keine große Sache mehr. 3D Dokus ebensowenig. 
Life in a Day
Vielleicht der LIFE IN A DAY. Da hat man sich die Dreharbeiten komplett gespart und lieber YouTube Amateure gebeten, einen Lebenstag zu bebildern. Der Film funktioniert also nur als Collage und Zusammenschnitt von 4500 Stunden Bildmaterial. Das menschliche Leben soll in seiner Mannigfaltigkeit erfaßt werden. Aufstehen, essen, urinieren, Fahrrad fahren, schuften, reden, jagen, spielen, schlachten, schäkern, sich ängstigen, lachen, weinen. Man könnte noch viele Verben auflisten. Die Leute benutzen ihre Kameras als Spiegel oder Voyeure. Wenn Ridley Scott da mitmacht, soll das wohl für Qualität stehen. Natürlich wurde nur eine begrenzte Zahl Protagonisten herausgepickt. Am Ende heult eine Amerkanerin in die Kamera, wie unwichtig sie doch wäre und wie langweilig ihr Tag war aber dass sie doch hier sei. Schon nach einigen Minuten bringt dieser Bildersalat ein Gefühl klar zum Vorschein. Überinformation durch Zapping.

Hauntings I
In der kanadischen Botschaft liefen Guy Maddins kurze Stummfilme auf Fernsehern in einer Dauerschleife. Das nennt sich FORUM EXPANDED und soll die Übergänge zwischen Film und Kunst bündeln. Man setzte sich mit Kopfhörern davor und lauschte den Soundtracks, während man Udo Kier als Flieger-Ass in putzigen selbstgebastelten Filmsets und ulkigen Kostümen bestaunte. Die Filme sind wohl ganz flink entstanden und hektisch geschnitten, haben alle den gleichen Look und Texteinblendungen, die den Filmpionierstil immitieren. Skuril und sympathisch.

In der Jury des Wettbewerbs fehlte der Iraner Jafar Panahi, denn er sitzt leider im Gefängnis, weil er  systemuntreue Ideen hatte. Also sperrte ihn die iranische Gedankenjustiz vorsorglich weg. Die Berlinalejury vergab sowohl den Goldenen Bären als auch die Silbernen Schauspielbären an den iranischen Beitrag NADER AND SIMIN – A SEPARATION. Ob das als Politikum fungiert oder doch an der Qualität des Streifens liegt, der auch auf dem Teheraner Filmfest abräumte, kann ich nicht beurteilen.
Nader and Simin - A Separation
Die Jury bestand aus Filmkünstlern und Schauspielerinnen, die wenig Mainstreammaterial abliefern. Aber deren Entscheidungen mögen ein Zeichen dafür sein, dass die Zeit revolutionsreif ist für die gesamte arabische Welt. Die Regime wehren sich noch hie und da und werden wohl von anderen religiösen Eiferern ersetzt. Nicht umsonst recken die Kämpfer ihre Fäuste und Waffen in den Himmel mit ihrem Gott auf den Lippen. Aber von Tunesien über Lybien und Ägypten bis auf die arabische Halbinsel reicht nun die Aufruhrwelle. Eine Zeit des Zorns und der Gewalt bricht an, deren Konsequenzen auch wir Europäer verspüren werden.

Zwar präsentiert die Berlinale ein relativ breites Spektrum internationaler Produktionen zwischen Kunst und Kommerz, aber zeigbar sind lang nicht alle davon. Als Filmkritiker bin ich kaum komplett zu beglücken und ärgere mich oft, dass ich im FORUM wieder Pech hatte mit langweiligen und unverständlichen Mediengebilden.
Als aktiver Filmemacher und Festivalorganisator hingegen gratuliere ich allen ausgewählten und prämierten Kollegen herzlich. Weiter so! Die Berlinale macht sich immer gut in der Filmographie!

Hier finden Sie die Kritiken zu den einzelnen Berlinalesektionen:



BERLINALE WETTBEWERB 2011

TRUE GRIT • ALMANYA • A MYSTERIOUS WORLD

True Grit
Echter Schneid. So die Übersetzung des Eröffnungsfilmtitels von den Coen Brüdern. Mit TRUE GRIT wagen sie sich erfolgreich an ein Western-Remake, denn Jeff Bridges brabbelt genüsslich weise mit dem Mädchen Hailee Steinfeld, die sich gleich eine Oscar-Nominierung dafür einhandelte, wie Jeff selbst. Natürlich schießen sie um sich in der amerikanischen Geschichte, in der auch Matt Damon Platz hat. Die junge Mattie heuert Marshal Cogburn und Ranger LaBoeuf an, um den Mörder ihres Vaters im Indianerland zu fassen. Sie verhandelt hart und redet einen verschlagenen Pferdehändler gleich zu Beginn des Westerns in Grund und Boden.
Auf ihrer Reise treffen die drei mancherlei seltsame Gestalten und erleben Wildwestabenteuer. Ein Eremit im Bärenkostüm, viele Gauner und abwechslungsreiches Terrain fordern unsere Helden. Was diesen Film so unterhaltsam macht, sind die Selbstironie, trockenen Gags und die beeindruckenden Schauspieler, die unter der Leitung der Coen-Brüder ein Genre wiederbeleben, das seine Blütezeit vor Jahrzehnten erreichte. Dass ein Mädchen überhaupt die Protagonisten eines männerdominierten Genres wird, spricht schon für sich. Natürlich kann bei einem solchen Staraufgebot und Budget auch die technische Seite künstlerisch punkten mit Kamera, Musik und Ausstattung. Der Film kommt derzeit in die Kinos, weshalb er im Festival außer Konkurrenz lief.

Mit ALMANYA – WILLKOMMEN IN DEUTSCHLAND von Yasemin Samdereli erleben wir eine vergnügliche Familiengeschichte über mehrere Generationen. Das Publikum amüsierte sich köstlich. Anlass ist die Frage des Kindes Cenk, ob er Türke oder Deutscher sei, denn beim Fußball wollte ihn keine der Mannschaften haben. Seine 22-jährige schwangere Cousine Canan erzählt ihm also die mythisch überhöhte Vergangenheit ihres Opas und der Familie.
Almanya
Der Türke Hüseyin freit in den 1950ern seine Frau Fatma auf dem Dorf. Sehr putzig und liebevoll inszeniert. Sie bekommen drei Kinder. Das geht da schnell. Doch bald darauf folgt er dem Ruf Deutschlands und Hüseyin geht in den 1960ern zusammen mit allen möglichen Südeuropäern als 1000001. Gastarbeiter in die Fremde. Er spricht die Sprache nicht, schuftet sich auf dem Bau ab und bei allerlei schwerer Arbeit. Der Film benutzt nun einen genialen Trick: Die Türken sprechen gutes Deutsch oder Türkisch, während die Deutschen in der frühen Zeitebene eine Fantasiesprache benutzen, die sich sehr lustig anhört, aber natürlich weder für unsere Einwanderer, noch für die Zuschauer verständlich ist. Nuschelschwäbisch rückwärts. 
Zwischendrin springen wir immer in die Gegenwart zurück. Die Großeltern holen sich ihre deutschen Pässe ab und werden sofort zum Schweinefleischessen verdonnert von einem stempelbewährten Beamten. Beim gemeinsamen Abendbrot mit allen Generationen eröffnet der Opa nun seinerseits, dass er in seinem Heimatdorf in der Türkei ein Haus kaufte. Alle sollen also mit ihm reisen, um die Familienbande zu festigen.
Dann springen wir wieder in einzelne Episoden aus der Vergangenheit, als Hüseyin seine Frau endlich nachholt und sie mit dem Alltag im biederen Deutschland konfrontiert ist. Ihre Kinder lernen schnell Deutsch, während sie beim Einkaufen zunächst noch die ulkige Phantasiesprache hört und dann lieber mit den Händen gestikuliert.
Der Film wirkt zumeist wie eine Komödie, hat aber auch ernste und traurige Momente. Problemlos identifiziert man sich und geht emotional mit. Großes Lob also an das Filmteam und die Darsteller. Das Produktionsdesign und die Farbkorrektur gaben sich ebenso Mühe wie die Dramaturgen, die ein gutes Timing der Gags auf sprachlicher wie visueller Ebene vorlegten. Einige bekannte deutschtürkische Schauspieler transportieren die Saga pointiert und routiniert. Elemente von Road-Movie und Erwachsenwerden wurden wie in einer guten Suppe als Gewürze eingestreut. Jeder Charakter kann Eigenarten präsentieren und Entwicklungen durchmachen. Dabei hat man nun das turbulente Leben exemplarisch für so viele Biographien vor Augen. Am Ende sitzen alle Figuren beim Picknick. Der Opa prostet seinem jüngeren Ich zu.
Ein seltener empfehlenswerter deutscher Film mit Türken und den Nachgeborenen, die man in bestimmten Stadtvierteln oft sieht! Sie werden Hauptzielgruppe der Thematik und ebenso alle, denen es auf gute Unterhaltung ankommt.

Un Mundo Misterioso
Wer Sonderlinge im Kino mag und wem lange Kameraeinstellungen mit Plansequenzen gefallen, der könnte sich an A MYSTERIOUS WORLD von Rodrigo Moreno erfreuen. Darin hört der Argentinier Boris nach dem Sex von seiner Freundin Ana, sie wolle sich eine Auszeit nehmen. Wie lange ist das? Keine Antwort. Also steht Boris wortkarg in Antiquariaten und auf Partys, kauft sich eine blaue Schrottkarre und gurgt damit in der Gegend herum. Er knutscht mit einer Uruguayerin, aber als er sie besuchen will zu Silvester, findet er sie nicht. Dann sitzt er im Cafe in seiner Heimatstadt, versucht sich mit Ana zu versöhnen. Aber sie braucht noch mehr Zeit. Die verbringt Boris mit Langeweile und weiteren Ausflügen. Es passiert relativ wenig in diesem Film. Er ist kantig und prima besetzt. Er erschwert die Beschreibung und Kritik. Aber gerade das ist so putzig. Wer dafür Geduld hat, kann sich amüsieren. Man bekommt von einer wirtschaftlich ruinierten Gesellschaft wenig mit, weil man dem Kauz Boris folgt, der nur seine Freundin vermißt. Die Sprüche mancher Freunde auf den Festen sind jedoch extrem lustig und trocken hingesagt.

3. März 2011

BERLINALE PERSPEKTIVE DEUTSCHES KINO 2011


KAMAKIA • VATERLANDSVERRÄTER • LOLLIPOP MONSTER

Kamakia
Zu den lustigsten Beiträgen der Berlinale zählt klar Jasin Challahs KAMAKIA – Die Helden der Insel. Eine verschrobene Handpuppe namens Kosta Rapadopoulos begibt sich auf die Spuren einer besonderen Art Fischer: Griechische Gigolos aus den 1960ern und 70ern, die nach nordeuropäischen Touristinnen fischten und sie dutzendweise beglückten. Besonders die Kommentare der Handpuppe, die fortwährend ihre Mission bedroht sieht, hauchen dem Dokumentarfilm Leben ein.
Als Kosta dann die Kamakia findet, erzählen sie ihm von ihren erotischen Abenteuern. Sie sind ja inzwischen alle im Rentenalter, aber erinnern sich lebhaft an die emanzipierten Touristinnen aus Deutschland, Holland und Schweden. Sie flirteten mit ihnen im Wochenrhythmus und verabschiedeten sie am Flughafen, bevor sie die nächsten direkt dort aufgabelten. Fliegender Wechsel. Die Strände waren voller williger Blondinen, die sich durch Motoräder beeindrucken ließen. Und jede, die nach Griechenland kam aus Lust auf zwanglosen Sex, wurde auch fündig. Es gab Hierarchien unter den Kamakia, die sorgsam eingehalten wurden. Die Touristinnen verteilte man nach Attraktivität und Geldbeutel.
Kosta befragt auch einige Frauen, die zu dieser Zeit auf den griechischen Inseln hängenblieben, damit das Bild nicht zu schief hängt. Sie geben Anekdoten zum Besten, die uns schmunzeln lassen.
Dann reist das Filmteam auf eine andere Insel, um den Mann zu finden, der diese Epoche auslöste. Der Greis berichtet von zwei Mädchen, die ihn als Jüngling mit Drogen betäubten und dann bestiegen am Strand. Er wachte also quasi auf und da wechselten sich die blonden Mädels gerade ab beim Reiten. Das gefiel ihm und er verständigte sich fortan mit den Nordeuropäierinnen nur noch in der Körpersprache. Es wäre ja auch unhöflich, die Gäste abzuweisen, die inzwischen die Pille und Kondome benutzten.
Die Berlinale druckte Kosta sogar eine eigene Akkreditierung aus. Man durfte ihn nur filmen und fotografieren, wenn er “lebte”, also wenn Jasin seine Hand in ihm hatte! So sind diese Puppenspieler. Wird Kosta also weiterarbeiten und neue Themen erforschen? Das wäre prima!


Vaterlandsverräter
Ebenfalls im dokumentarischen Segment der Perspektive befindet sich mit Annekatrin Hendels VATERLANDS-VERRÄTER eine DDR-Aufarbeitung der Sonderklasse. Die Biografie des unangenehmen Meckerers Paul Gratzig zeigt uns exemplarisch und ohne Wertung, wie leicht man als Dichter in der Diktatur des Proletariats von der Stasi rekrutiert und bedroht wurde. Pauls Leben war eine Achterbahnfahrt, in der er mit Literaturgrößen umging und sich schließlich selbst als IM outete. Das Faszinierende an diesem Film ist weniger die Lebensgeschichte, die Frauen, Kollegen, Kinder und auch den Stasioffizier einbindet mit ihren Paul Gratzig-Erfahrungen. Nein. Vielmehr ist es das Kunststück der Filmemacherin, uns einen so unsympathischen Menschen derart gekonnt zu präsentieren, dass man ihr Einfühlungsvermögen bewundern muss. Sie kennt Gratzig auch seit 20 Jahren und hatte Zugang zu intimsten Details. Ein Zeichner bebildert besondere Momente im Leben des Schriftstellers. Die Regisseurin inszeniert dann sogar noch ein Treffen mit dem unbekannten Sohn Philipp bei Paul auf dem abgelegenen Landhaus, um einen emotionalen Bogen zu finden.
Man muss weder Gratzigs Romane und Theaterstücke kennen, noch sein Verhalten gutheißen. Diese Filmbiographie verdeutlicht, wie der Mann aus Angst und Naivität zum Verräter der Freunde wurde und sich nach der Offenbarung in die Provinz verabschiedete. Dort vergrub er sich in Manuskripten und wettert gegen das alte System genauso wie gegen das derzeitige. Er war Kommunist und Gigolo, unstet und manipulativ.
Dass das Filmteam ihn so lange ertrug und dabei solch eine differenzierte Geschichte entstand, verlangt mir Respekt ab. Die Lektorin Gabriele Dietze berichtet von Begegnungen mit Gratzig, wo er schon paranoid war in den 80ern. Manuskriptübergabe im Badeanzug in einem Freibad. Gratzigs Tochter fährt Straßenbahn in Dresden und kennt ihren Vater kaum. Eine seiner Geliebten echauffiert sich über die Stasi-Akten. Man steckt durch Archivmaterial und Zeitzeugenberichte plötzlich wieder drin in dem zweiten deutschen Staat, der sich nach einer Testphase von 40 Jahren selbst auflöste. 


Lollipop Monster
Kontrast klappt immer. LOLLIPOP MONSTER von Ziska Riemann arbeitet gekonnt damit. Ein blondes Mädchen Ari (Jella Haase) und ein schwarzhaariges namens Oona (Sarah Horváth). Die Blondine entdeckt die Macht ihrer Sexualität als Lolita. Die dunkle kommt aus einer Künstlerfamilie. Ihr Onkel besteigt ihre Mutter, kaum dass der Vater nach seinem Freitod kalt ist. Reichlich Stoff zum Reiben also für die Zielgruppe der Jungdeutschen. Die Mädels freunden sich an und hören ihre Lieblingsband „Tier“. Deren Sänger hat zu viel Raum im Film. In der Schule meidet man die Mädels. Aris Mutter (Sandra Borgmann) ignoriert die Entwicklung ihrer Kinder. Prima Lacher erzeugt sie, wie sie alles schönredet. Aris Bruder schleppt eine Afrikanerin nach Hause und vergnügt sich mit ihr.
Oona ritzt sich und malt düstere Bilder mit Kohle. Ab und zu werden sie im Film animiert. Das Leben als Exzess umfängt unsere Heldinnen. Ari wird von einem Mann mit Auto aufgegabelt und bezirzt ihn. Schon ist sie entjungfert. Aber dann schnappt sie sich Oonas Onkel Lukas, der ihr ebenfalls nicht widerstehen kann. Das erschüttert die Freundschaft der Mädchen natürlich.
Sie schmieden nach der Schmollphase jedoch einen Plan gegen Onkel Lukas. Der muss weg.
Die Hauptfiguren spielen ihre Rollen gut. Da freut man sich auf mehr, bevor sie zu erwachsen sind und diesen Jugendsog verlieren. Julia Brandes gewann den Femina-Film-Preis für ihre Kostüme.

BERLINALE GENERATION 2011

KNERTEN GIFTER SEG KEEPER’N TIL LIVERPOOL • RED DOG

Das Kinderfilmsegment der Berlinale offeriert klassische Spielfilme, bei denen immer auf technische wie narrative Qualität geachtet wird. Es gibt klare Spannungsbögen und Kameraarbeit, die nur die Geschichte transportiert. Handwerklich überzeugen die meisten Produktionen. Experimentelles würde die Kinderjurys und Familien im Kino wohl überfordern.
Zielgruppenprogramm wie dieses verspricht also traditionelle Unterhaltung und befasst sich mit dem Leben Heranwachsender.
Knerten gifter seg
In KNERTEN GIFTER SEG (Knerten trau sich) erlebt der kleine Junge Lillebror Dorfabenteuer im Norwegen der 1950er Jahre. Sein eigenwilliger Freund Knerten (ein sprechender computeranimierter Ast) entdeckt die Liebe, während Lillebror untersucht, wer seine Mutter angefahren hat. Es fühlt sich ungut an, wenn Mama im Krankenhaus liegt und Papa auf Geschäftsreise ist. Auch beäugt Lillebror argwöhnisch die neue Familie im Dorf, deren Sohn das heißersehnte Fahrrad wohl bekommen wird. Norwegen bereitet sich auf die Hochzeit eines Prinzen vor. Dazu schafft der Krämer eigens einen Fernseher an. Knerten kann sich aber auf den Fall kaum konzentrieren, da er sich in das Zweigmädchen Karoline verguckte. Die Knerten-Filmreihe wird noch in einem dritten Teil fortgestetzt, wie der Regisseur Martin Lund verkündete. Der erste Teil (MEIN FREUND KNERTEN) kommt schon diesen Sommer synchronisiert in die deutschen Kinos.

Konflikte und Situationen junger Menschen wie Drogen- und Elternprobleme (FRIT FALD), Identitätsfindung (APFLICKORNA), Sexualität und Beschneidung (SKYSKRABER), Schule, Normen, Geschwister, Andersartigkeit, Behinderung oder Ungerechtigkeit stehen immer klar im Zentrum der GENERATION-Auswahl. Die Figuren obsiegen allesamt oder machen einen Verstandesprozess durch, der sie reifer in die Welt schickt (THE DYNAMITER) oder versöhnt.
Skyskraber
Die Genres reichen von Komödie, Drama und Trickfilm (DER RIESIGE BÄR) bis zu Road Movie und Romanze (UNDER THE HAWTHORN TREE). Wie gewohnt bewerfen die Drehbuchschreiber ihre Figuren mit weltlichen, sexuellen und familiären Problemen, damit das Publikum Identifikationsfiguren oder Antagonisten bekommt und sich der Kinobesuch lohnt. Die meist fotogenen Figuren reagieren mit Flucht (BAD OH MEH), Sturheit oder Kampf, nachdem man sie genug ärgerte. Manche verlieben sich oder verzweifeln. Viele dieser Filme zeigen Gesellschaften, die sich wandeln und die Protagonisten zur Veränderung zwingen. Denkmuster aufbrechen, Traditionen umkippen ist hier das Credo. Filmemacher balancieren beim Erzählen ständig zwischen äußeren Umständen (wie Krieg, Religion, Unfälle, Hänseleien oder Verwandschaftskonflikten) und inneren Reaktionen, die die Charakterentwicklungen vorantreiben. 
Westliche Frauen bedienen sich aus Samenbanken und lassen die Kinder ohne Väter aufwachsen (DE STERKSTE MAN VAN NEDERLAND), erfinden dann Ausreden und belügen ihren Nachwuchs, der sich nach seiner Herkunft erkundigt. So kommt Dramaturgie in Gang und kann auch komisch interpretiert werden. Manch Kind fühlt sich ignoriert und läuft davon (AUF LEISEN PFOTEN). Mitunter sind Gut und Böse klar getrennt und erkennbar, aber im 14plus Segment (Jugendfilme) verschwimmen schon die Grenzen, weil man dem Publikum komplexere Menschenbilder zumuten kann. Motivation und Vorgeschichte der Hauptfiguren zeigen uns, dass wir meist in moralischen Grauzonen leben. Anspruch und Realität treffen aufeinander. Wer im Film eine Verinfachungsmaschine sieht, wird dann enttäuscht, wenn keine Klischees bedient werden oder Konflikte im Sande verlaufen. Den Filmemachern obliegt es, sich auf Bilder und Plots festzulegen und so ihren Schauspielern und Teams gute Rahmenbedingungen zu erschaffen. 
Dann mischen Regisseure gerne noch ein Quentchen Glück oder Pech ein, der Produzent treufelt Didaktik und Moralpulver hinzu, rührt dreimal ordentlich mit dem Zufallsquirl um und schon sind wieder 90 Minuten Lebenszeit rum. Fiedelbumm.
Filme auf diesem hohen Niveau werden natürlich auch produziert, damit die Teams, Schauspieler und Produzenten Geld verdienen, ihren Ruhm und Marktwert mehren. Damit sie von ihrer Arbeit leben können. Sie sind also an den Kinderfilmmarkt und dessen Genese gekettet und machen sich gegenseitig Konkurrenz. Gleichzeitig müssen sie gegen den Ablenkungsapparat aus Videospielen, Büchern und Internet ankämpfen und die Aufmerksamkeitsspanne der Konsumenten beachten. Dann wird aus der Kunst das Geschäft, dem Festivalpreise machmal helfen.
Das Einsprechen der Dialoge auf Deutsch durch eine Synchronstimme verwirrt manch Kind. Soweit hat sich nichts geändert. Wie wäre es denn, wenn man auch Kinder bei der Programmauswahl und den Sichtungen der Einreichungen beteiligte? Nur als Test. Wüssten diese nicht besser, was sie Altersgenossen im Festival zeigen würden? Oder man zeigte Filme, die von Kindern selbst hergestellt wurden, wie es einige Festivals inzwischen tun (KuKi, Schlingel, Lucas).


KEEPER’N TIL LIVERPOOL (Gläserner Bär für den besten Film)

KEEPER’N TIL LIVERPOOL
Dreizehn ist kein einfaches Alter. Jo aus einer norwegischen Kleinstadt kennt sich da bestens aus. Durch eine übervorsichtige Mutter geprägt, imaginiert er beständig abstruse Gefahren und umgeht sie sorgsam. Sei es der stärkere Schüler Tom Erik oder eine Sportverletzung mit ernsten Folgen. Jos Vorstellungskraft macht ihm zu schaffen und lähmt ihn. Dabei ist Jo sehr intelligent und gut in Mathe. Die Hausaufgaben des Kraftprotzes übernimmt er durch Einschüchterung, was seine Paranoia noch anstachelt. Jo sammelt auch Fußballerkarten vom Liverpool Team. Besonders den Torwart suchen er und seine Mitschüler dringend. Dann wäre die Mannschaft komplett und Jo ein Held.
KEEPER’N TIL LIVERPOOL von Arild Andresen punktet durch einen rasanten Start und ulkige Situationen. Die empfehlenwerte Jugendkomödie arbeitet zwar mit bekannten Themen aus Schule, Alltag und Amourösem, aber die Figuren haben viel Potential und die Jungschauspieler (Ask van der Hagen, Susanne Boucher, Jostein Skranes Bronx) halten die Drehbedingungen prima durch. Viele witzige Ideen flossen ein und das Timing ist exzellent.
Als die schöne Mari neu in Jos Klasse kommt und ein Talent für Mathe zeigt, verguckt Jo sich sofort in sie. Jetzt hat er also schon wieder mehr Probleme, denn sie könnte ja seine Gefühle ablehnen vor allen Mitschülern und Jo zusätzlich in peinliche Situationen bringen. Vielleicht würde sie ihm gerne Kuchenteig über den Kopf gießen in der Kochstunde oder mit anderen Mädchen über ihn tuscheln beim Fußballtraining. Am Kleiderhaken zu hängen wie ein Turnbeutel, verbessert Jos Image kaum.
Um Jo herum haben freilich auch andere Figuren ein Leben. Seine Mutter schäkert unter einem Vorwand öfter mit dem Nachbarn und kommt mit zerwuscheltem Haar heim. Der ältere Bruder von Jos Freund ertrug den Druck im englischen Profifußball nicht und man erfindet Geschichten über seine Heimkehr. Jo erlebt derweile kleine Abenteuer und beginnt, sich den Gefahren zu stellen. Denn Mari zieht ihn magnetisch an.


RED DOG

Ein Reisender kommt erschöpft an eine Raststätte. Drinnen stehen Menschen besorgt um einen alten Hund. Was mit ihm sei, will der Reisende wissen. Das ist Red Dog, der berühmteste Hund Australiens. Wie es dazu kam, berichten die Bewohner einer Siedlung im staubigen Land.
In dieser Legende kommen keine Kinder vor. Auch der Hund spricht nicht und hat keine Zauberkräfte. Aber er ist oft zugegen, wenn im Leben der Bergleute, Stahlkocher und Raupenfahrer Wichtiges passiert.
Red Dog
Es beginnt in den 1970ern, als der Straßenköter im Ort Dampier auftaucht. Dort schuften Männer aus der ganzen Welt. Sie vermissen ihre Heimat und raufen freundschaftlich miteinander. Wem gehört dieser Hund? Er scheint sich nicht festzulegen. Mal ist er beim Iren, mal beim Italiener. Er wirkt beruhigend auf die Männer und schaut ihnen zu. Sie mögen ihn alle, aber Red Dog hat kein Herrchen. So vergeht viel Zeit.
Schließlich landet Red Dog bei John, der hier den Bus fährt. Auf dem Campingplatz lebt eine gefährliche Katze, die Red Dog oft angreift. Johns neue Freundin Nancy akzeptiert den Hund problemlos. Sie wachsen zusammen und alles wäre prima, wenn John nicht plötzlich bei einem Unfall stürbe. Sein Hund sucht nach ihm im ganzen Nordwesten wie Gilgamesh, kehrt zurück und versöhnt sich mit der Katze.
Die Tiertrainer leisten gute Arbeit. Auch den Schauspielern um Josh Lucas, Rachael Taylor und Luke Ford gelingt ein besonderer Film, der kindertauglich aber auch tiefsinnig wirkt. Dazu muß man nicht Literaturgeschichte und Mythologien studieren, denn die Saga um diesen besonderen Hund zitiert nur allgemeine Archetypen.