4. März 2011

BERLINALE WETTBEWERB 2011

TRUE GRIT • ALMANYA • A MYSTERIOUS WORLD

True Grit
Echter Schneid. So die Übersetzung des Eröffnungsfilmtitels von den Coen Brüdern. Mit TRUE GRIT wagen sie sich erfolgreich an ein Western-Remake, denn Jeff Bridges brabbelt genüsslich weise mit dem Mädchen Hailee Steinfeld, die sich gleich eine Oscar-Nominierung dafür einhandelte, wie Jeff selbst. Natürlich schießen sie um sich in der amerikanischen Geschichte, in der auch Matt Damon Platz hat. Die junge Mattie heuert Marshal Cogburn und Ranger LaBoeuf an, um den Mörder ihres Vaters im Indianerland zu fassen. Sie verhandelt hart und redet einen verschlagenen Pferdehändler gleich zu Beginn des Westerns in Grund und Boden.
Auf ihrer Reise treffen die drei mancherlei seltsame Gestalten und erleben Wildwestabenteuer. Ein Eremit im Bärenkostüm, viele Gauner und abwechslungsreiches Terrain fordern unsere Helden. Was diesen Film so unterhaltsam macht, sind die Selbstironie, trockenen Gags und die beeindruckenden Schauspieler, die unter der Leitung der Coen-Brüder ein Genre wiederbeleben, das seine Blütezeit vor Jahrzehnten erreichte. Dass ein Mädchen überhaupt die Protagonisten eines männerdominierten Genres wird, spricht schon für sich. Natürlich kann bei einem solchen Staraufgebot und Budget auch die technische Seite künstlerisch punkten mit Kamera, Musik und Ausstattung. Der Film kommt derzeit in die Kinos, weshalb er im Festival außer Konkurrenz lief.

Mit ALMANYA – WILLKOMMEN IN DEUTSCHLAND von Yasemin Samdereli erleben wir eine vergnügliche Familiengeschichte über mehrere Generationen. Das Publikum amüsierte sich köstlich. Anlass ist die Frage des Kindes Cenk, ob er Türke oder Deutscher sei, denn beim Fußball wollte ihn keine der Mannschaften haben. Seine 22-jährige schwangere Cousine Canan erzählt ihm also die mythisch überhöhte Vergangenheit ihres Opas und der Familie.
Almanya
Der Türke Hüseyin freit in den 1950ern seine Frau Fatma auf dem Dorf. Sehr putzig und liebevoll inszeniert. Sie bekommen drei Kinder. Das geht da schnell. Doch bald darauf folgt er dem Ruf Deutschlands und Hüseyin geht in den 1960ern zusammen mit allen möglichen Südeuropäern als 1000001. Gastarbeiter in die Fremde. Er spricht die Sprache nicht, schuftet sich auf dem Bau ab und bei allerlei schwerer Arbeit. Der Film benutzt nun einen genialen Trick: Die Türken sprechen gutes Deutsch oder Türkisch, während die Deutschen in der frühen Zeitebene eine Fantasiesprache benutzen, die sich sehr lustig anhört, aber natürlich weder für unsere Einwanderer, noch für die Zuschauer verständlich ist. Nuschelschwäbisch rückwärts. 
Zwischendrin springen wir immer in die Gegenwart zurück. Die Großeltern holen sich ihre deutschen Pässe ab und werden sofort zum Schweinefleischessen verdonnert von einem stempelbewährten Beamten. Beim gemeinsamen Abendbrot mit allen Generationen eröffnet der Opa nun seinerseits, dass er in seinem Heimatdorf in der Türkei ein Haus kaufte. Alle sollen also mit ihm reisen, um die Familienbande zu festigen.
Dann springen wir wieder in einzelne Episoden aus der Vergangenheit, als Hüseyin seine Frau endlich nachholt und sie mit dem Alltag im biederen Deutschland konfrontiert ist. Ihre Kinder lernen schnell Deutsch, während sie beim Einkaufen zunächst noch die ulkige Phantasiesprache hört und dann lieber mit den Händen gestikuliert.
Der Film wirkt zumeist wie eine Komödie, hat aber auch ernste und traurige Momente. Problemlos identifiziert man sich und geht emotional mit. Großes Lob also an das Filmteam und die Darsteller. Das Produktionsdesign und die Farbkorrektur gaben sich ebenso Mühe wie die Dramaturgen, die ein gutes Timing der Gags auf sprachlicher wie visueller Ebene vorlegten. Einige bekannte deutschtürkische Schauspieler transportieren die Saga pointiert und routiniert. Elemente von Road-Movie und Erwachsenwerden wurden wie in einer guten Suppe als Gewürze eingestreut. Jeder Charakter kann Eigenarten präsentieren und Entwicklungen durchmachen. Dabei hat man nun das turbulente Leben exemplarisch für so viele Biographien vor Augen. Am Ende sitzen alle Figuren beim Picknick. Der Opa prostet seinem jüngeren Ich zu.
Ein seltener empfehlenswerter deutscher Film mit Türken und den Nachgeborenen, die man in bestimmten Stadtvierteln oft sieht! Sie werden Hauptzielgruppe der Thematik und ebenso alle, denen es auf gute Unterhaltung ankommt.

Un Mundo Misterioso
Wer Sonderlinge im Kino mag und wem lange Kameraeinstellungen mit Plansequenzen gefallen, der könnte sich an A MYSTERIOUS WORLD von Rodrigo Moreno erfreuen. Darin hört der Argentinier Boris nach dem Sex von seiner Freundin Ana, sie wolle sich eine Auszeit nehmen. Wie lange ist das? Keine Antwort. Also steht Boris wortkarg in Antiquariaten und auf Partys, kauft sich eine blaue Schrottkarre und gurgt damit in der Gegend herum. Er knutscht mit einer Uruguayerin, aber als er sie besuchen will zu Silvester, findet er sie nicht. Dann sitzt er im Cafe in seiner Heimatstadt, versucht sich mit Ana zu versöhnen. Aber sie braucht noch mehr Zeit. Die verbringt Boris mit Langeweile und weiteren Ausflügen. Es passiert relativ wenig in diesem Film. Er ist kantig und prima besetzt. Er erschwert die Beschreibung und Kritik. Aber gerade das ist so putzig. Wer dafür Geduld hat, kann sich amüsieren. Man bekommt von einer wirtschaftlich ruinierten Gesellschaft wenig mit, weil man dem Kauz Boris folgt, der nur seine Freundin vermißt. Die Sprüche mancher Freunde auf den Festen sind jedoch extrem lustig und trocken hingesagt.

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