Noch ein Sozialdrama
Porträt einer Mutter in Not – Berlinale Perspektive 2010
Bestimmt die Umwelt, wer man ist? Treiben uns die Umstände in den Abgrund? Wenn Anna aus dem Fenster schaut und sinniert, blickt sie auf eine DDR-Neubausiedlung, wie sie in Marzahn und Hohenschönhausen noch immer stehen. Schön ist das allerdings weniger.
Anna hütet drei Kinder und hat noch ein viertes im Bauch. Um sie herum prollt das Leben gar bitterlich. Sie spricht in dem ganzen Film keine 10 Sätze und sieht betrübt aus. Dazu Grund gibt ihr auch Andreas, der vor ihren Augen mit einer anderen herum-macht, derweil Anna den Haushalt organisiert und sehr erschöpft wirkt.
Aha, denkt der Zuschauer, ein Sozialdrama, wie sie hoch in Mode sind bei den Festivals. Da braucht man dann keine Identifikationsfigur, weil eben der Realismus so pointiert wirken soll. Während also die Kinder schön nervig sind und Anna ihr Neugeborenes entsorgt, fragt man sich, warum man diese Studienarbeit schaut. Ach ja, man sitzt in der Perspektive Deutsches Kino, wo ebenjene Studentenfilme laufen, mit denen sich Filmschulen wie die KHM auf der Berlinale brüsten wollen. Nun gut. Im Abspann stehen Professoren, die die Regisseurin (und Autorin) Juliane Engelmann berieten. Diese hat vorher scheinbar nur fünf Kurzfilme gemacht und das Festival Contravision mitorganisiert. Kameraführung und Musik passen denn auch gut zum Sujet. Carmen Birk als Anna strahlt eine traurige Leere aus, die bei mancher Zuschauerin wohl Mitgefühl auslöst. Das ist lobenswert.
Aber das Drama hat auch Schwächen. Selten kam ein Mann so unmotiviert herüber wie der Bösling Andreas, der natürlich überspitzt von Stefan Riedner gespielt wird, weil es ein Film ist. Weil die Botschaft klar erkennbar sein soll mittels Antagonist. Er verkörpert die abwesenden Väter, die Nichtsnutze, die ihre Frauen und Kinder hängen lassen. Ungeniert zieht er zu seiner Tussi drei Häuser weiter. Schauspielerisch beeindruckt das wenig und sieht aus, als habe die Autorin einen Sündenbock gebraucht.
Pünktlich zur Filmmitte im zweiten Akt entbindet also Anna im Badezimmer unblutig und will es geheim halten. Ab diesem Zeitpunkt muss sie um ihre Entdeckung bangen und man wundert sich, welcher dramaturgische Trick jetzt angewendet wird. Es ist eine Kopie aus zig Filmen, in denen Frauen aus Angst ihre Babys ersticken.
Aber das Leben geht einfach weiter, wenn auch nicht für das entsorgte Baby. Keiner nimmt Notiz und die Müllabfuhr erledigt den Rest. Als Andreas wieder einziehen will, ringt sich Anna endlich zu einer Entscheidung durch und verhindert es. Dann kommt ihre Tochter zum Fenster und will weiterspielen. Zeit für Tränen.
Etwas mehr Handlung hätte diesem halblangen Spielfilm gut getan, denn dreißig Minuten könnten ein flotteres Erzähltempo zulassen. Technisch ist NARBEN IM BETON sauber gemacht, aber er unterhält nicht und ist daher untauglich fürs Kino. Vielfalt soll ja gerade bei Festivals aufscheinen und Gesellschaftsprobleme dürfen da nicht fehlen. Das Dauerthema der dysfunktionalen Familie treibt ja fast die Hälfte aller Produktionen um, die auf der Berlinale laufen.
Die Figuren haben hier aber keine Tiefe und das Drama fesselt zu wenig. Die Zielgruppe dürfte eher weiblich sein, wo das Thema Kinderkriegen ja ein Dauerbrenner ist, zumal angefacht durch die endlose Medienschlacht um das Prekariat. Daher kommt bestimmt auch die Filmförderung zum Thema Kindstötung. Ein Kondom wäre einfacher gewesen. Beim nächsten Film vielleicht dann Geld für ein professionelles Drehbuch einplanen. Oder wieder zurück zur Contra Medienwerkstatt und weiter üben.
Bewertung: * * *
Land: | BRD |
Jahr: | 2009 |
Regie: | Juliane Engelmann |
Mit: | Carmen Birk, Stefan Riedner, Lisa Altenpohl, Maggy Domschke, Effi Rabsilber |
Buch: | Juliane Engelmann |
Produzent: | Arne Globisch |
Kamera: | Sin Huh |
Musik: | Philipp E. Kümpel, Andreas Moisa |
Dauer: | 30 min |
Produktionsfirma | http://www.khm.de |
Rezensent: | Dave Lojek |
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